Großbritamien. (Febr. 15. 16.) 159
Wesen, den Czernins Rede gegenüber Hertlings Rede aufweise, lasse nicht
den Schluß zu, daß Deutschland bereit sei, einzulenken.
Der frühere Handelsminister Runciman bemerkt, daß die Regierung,
wenn sie die öffentliche Meinung zufriedenstellen wolle, durchaus klarstellen.
müßte, daß sie es mit ihren Friedensformeln aufrichtig meine. Wenn die
Staatsmänner der Gegenpartei Verhandlungen ablehnten, so verlange er,
daß die Vertreter der Demokratien zusammenkämen. Es sei ein großer
Fehler gewesen, den Besuch der Stockholmer Konferenz zu verbieten; eine
neue Arbeiterkonferenz müsse die Regierung auf jede Weise begünstigen —
Snowden (Unabh. Arb.) sagt, die Regierung beweise eine riesige Un-
wissenheit im Kriegführen wie im Friedenschließen. Das Land käme zur
Ueberzeugung, daß es die erste und dringlichste Pflicht sei, die Regierung
aus dem Amte zu jagen.
Nachdem Unterstaatssekretär Lord Robert Cecil nochmals eingehend
die Regierungspolitik verteidigt hat, wobei er vor allem zur Frage der
Geheimdiplomatie und der Geheimverträge Stellung nimmt, wird der An-
trag Holt mit 159 gegen 28 Stimmen abgelehnt. Unter der Minderheit
befinden sich sämtliche Pazifisten.
Am 14. kritisiert McKKean (Unabh. JIre) die Regierung, weil sie die
päpstliche Friedensnote (v. 1. Aug. 1917) nicht eingehend beantwortet habe.
In seiner Antwort dementiert Lord Robert Cecil kategorisch diese
Anschuldigung und erklärt, die Regierung habe sich nur darauf beschränkt,
den Empfang der Note anzuzeigen. Für diesen Entschluß sei nicht der
Vertrag mit Italien maßgebend gewesen, sondern nur die Tatsache, daß
man der Antwort des Präsidenten Wilson nichts mehr hinzuzufügen hatte.
Am 15. nimmt das Haus die Adresse auf die Thronrede an.
15. Febr. Schluß der Kriegszielerklärungen.
Den Reden Wilsons (s. Ver. St. 11. Febr.) und Lloyd Georges (s. S. 155 ff.)
läßt „Reuter“ folgende halbamtliche Erläuterung nachfolgen: Die Alliierten
haben sich bis jetzt genügend Mühe gegeben, ihre Kriegsziele zu revidieren.
Was jetzt am meisten nottut, das ist, den verschiedenen Völkern begreiflich
zu machen, daß diese so dargelegten Kriegsziele notwendig sind. Im Unter-
hause wie außerhalb desselben scheint man noch den Gedanken zum Durch-
bruche verhelfen zu wollen, daß unseren Kriegszielen ein gewisser Annexio-
nismus und Imperialismus innewohne, und daß, wenn diese beiden daraus.
verschwinden, die deutschen Staatsmänner dazu getrieben werden, diese
Ziele unter dem Drucke des Volkes anzunehmen. Wir glauben, daß dieses
auf Unwissenheit beruhende Illusionen sind. Die Kriegsziele der Alliierten,
wie sie neuerdings von Lloyd George und Wilson dargelegt wurden, sind
minimal und nicht maximal. Ein demokratischer und dauerhafter Friede
kann keine Verkürzung dieser Ziele vertragen. Der Grund, warum die
deutschen Staatsmänner diese Ziele noch ablehnen, besteht darin, daß das
deutsche Volk noch keinen demokratischen und dauerhaften Frieden wünscht.
Die Frage, welches die Kraft und Dauer dieser öffentlichen Meinung sein
wird, wenn die militärischen Hoffnungen enttäuscht werden, bleibt zu be-
sprechen. Für den Augenblick aber ist die Lage klar, und wir können ihre
Bedeutung nicht nur in den offiziellen Auslassungen Hertlings und des
Kaisers ermessen, sondern auch in der Furcht der deutschen Sozialisten,
sich ihnen wirksam entgegenzustellen.
16. Febr. Wechsel in der Leitung des Generalstabes.
An Stelle von Sir William Robertson wird Sir Henry Wilson
zum Chef des Generalstabes ernannt. ç
Das amtliche engl. „Pressebureau" meldet dazu: Die Erweiterung