Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Großbritannien. (Febr. 20.—23.) 163 
holländ.-skand. Komitees v. 18. Okt. (s. Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 627 ff.). Man 
verlangt Volksabstimmung in Elsaß-Lothringen und man verlangt keine 
Loslösung des deutschen oder österreichischen Polens noch deren Vereinigung 
mit Russisch-Polen. In einem Punkt ist das Programm beeinflußt vom 
englischen Imperialismus, nämlich in bezug auf Arabien, Mesopotamien usw. 
Aber hier wird eine Verhandlung mit den Soz. der Mittelmächte auf der 
bevorstehenden Allgemeinen sozialistischen Friedenskonferenz hoffentlich zu 
einem Verständnis führen. 
Das Internationale Sozialistische Bureau übersendet durch 
Vermittlung Brantings das Memorandum den Sozialisten Deutschlands, 
Oesterreich-Ungarns und Bulgariens unter Beifügung einer von dem Vor- 
sitzenden E. Vandervelde und dem Schriftführer C. Huysmans unter- 
zeichneten Botschaft, worin dargelegt wird, daß die Konferenz der Ansicht 
war, daß es keinen Zweck hätte, einen allgemeinen Kongreß zu vereinigen, 
wenn sein Ziel nicht im Prinzip gesichert wäre, und daß einer Vollversamm- 
lung der Internationalen eine bestimmte öffentliche Erklärung seitens aller 
teilnehmenden Organisationen über ihre Friedensbedingungen vorausgehen 
müsse. Die Kundgebung fährt fort: Um selber diesen Bedingungen zu ent- 
sprechen, hat die Londoner Konferenz es für notwendig gehalten, ihre An- 
sichten und ihre Aktion in dem Memorandum, das wir Euch zu über- 
mitteln beauftragt sind, genau darzulegen. Sie rechnet darauf, daß Eure 
Partei, derselben Auffassung folgend, beschließen wird, eine öffentliche Er- 
klärung gleicher Art zu erlassen, sei es allein, sei es gemeinsam mit den 
Arbeiter- und sozialistischen Organisationen Mitteleuropas. Nach der Mei- 
nung der Teilnehmer der Londoner Konferenz wird der Vergleich dieser 
Dokumente von größter Wichtigkeit sein. Er wird ein hauptsächliches Mittel 
sein festzustellen, ob zwischen den Proletariaten der beiden kriegführenden 
Gruppen eine genügende Uebereinstimmung der Auffassungen besteht, um 
eine gemeinsame Aktion gegen den Imperialismus und für einen demo- 
kratischen Frieden möglich zu machen. Diese vorläufige Prüfung ist um so 
notwendiger, da offenbar keine bedeutende ihrer Verantwortung bewußte 
Partei Gefahr laufen will, daß ihr die Beschlüsse eines internationalen Kon- 
gresses durch Mehrheitswillen auferlegt würden. Nur Beschlüsse, die der 
Ausdruck eines allgemeinen und gemeinsamen Willens wären, hätten mora- 
lische Autorität und praktische Wirkung. Zusammenfassend sei gesagt: die 
Sozialisten der Ententeländer ersuchen Euch in dieser ernsten Stunde, in 
der es zu wissen gilt, ob die Welt von der Demokratie befreit oder dem 
Imperialismus überliefert werden soll, vor Eurem Gewissen Euch zu fragen, 
ob eine wirkliche, aufrichtige, wirksame Uebereinstimmung der proletarischen 
Willen möglich ist, um dem Recht der Gewalt ein Ende zu machen, um 
dem Grund nicht eines Friedens, sondern des Friedens zu legen, um den 
Völkern zu helfen, sich von der endlosen Kette zu befreien des militärischen 
Krieges, der zu Wirtschaftskriegen führt, und der Wirtschaftskriege, die 
wiederum militärische Kriege erzeugen werden. Wir fügen ihrer Botschaft 
nur eine Bemerkung bei. Seit der Londoner Konferenz haben sich schwer- 
wiegende Ereignisse zugetragen, die für die Arbeiter aller Länder die ern- 
steste Bedrohung bedeuten. Die Grundsätze, auf die sie sich berufen, sind 
schmählich verletzt worden. Das Recht der Völker, über sich selbst zu ver- 
fügen, ist offenbar außer acht gelassen worden. In Oesterreich, in Deutsch- 
land selbst haben Sozialisten die Sorge ausgesprochen, daß Rußland, ent- 
waffnet, für den Augenblick ohnmächtig, ein Kampfplatz werden könnte, auf 
dem die rivalisierenden Imperialismen mit ihren Ansprüchen aufeinander- 
stoßen würden, um sich schließlich gemeinsam auf Kosten der besiegten Re- 
volution zu befriedigen. Die Arbeiterklassen haben ein gemeinsames Inter- 
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