Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Großbritannien. (April 18.) 177 
die militärische Dienstpflicht befürwortet, richtet einen scharfen Angriff gegen 
die Regierung wegen der geplanten Einbringung der Homerulevorlage. Der 
Arbeiterminister Barnes erwidert, die Regierung werde zurücktreten, wenn 
das Haus die Homerulevorlage ablehne. Ferner erklärt er, Homerule werde 
wahrscheinlich schon als Gesetz im Reichsanzeiger stehen, wenn man zur 
Aushebung der ir. Soldaten schreite. 
Zum Schluß ergreift Premierminister Lloyd George das Wort, um 
den Ausführungen Dillons entgegenzutreten. Die Anwendung des Dienst- 
pflichtgesetzes auf Irland könne billigerweise nicht mit dem Versuch ver- 
glichen werden, den amerik. Kolonien Steuern gegen ihren Willen auf- 
zuerlegen, weil es sich in diesem Falle um eine Besteuerung ohne Ver- 
tretung handelt. Die Forderung, daß zunächst die Zustimmung der Iren 
erlangt werden soll, könnte mit demselben Rechte für Wales und Schott- 
land geltend gemacht werden, aber diese hielten es nicht für eine Schmäle- 
rung des Selbständigkeitsgefühls ihrer Rasse, dem Reiche, dessen Bürger 
sie sind, das Recht zu übertragen, alle Maßnahmen zur Vermehrung der 
Kräfte, die der Verteidigung des Reiches dienen, durch die Reichsvertretung 
zu erzwingen. Die Regelung der ir. Frage sei nicht nur für Irland, sondern 
für das Reich eine Angelegenheit von vitalem Interesse. Er sei gewiß, daß 
im jetzigen kritischen Augenblick nichts mehr dazu beitragen würde, die volle 
Hilfe Amerikas zu sichern, als der Entschluß des engl. Parlaments, Irland 
eine Selbstverwaltung zu gewähren, wie sie die vernünftige öffentliche 
Meinung in Amerika befriedigen würde, und er glaube, England könne 
das tun. Die Regierung sei deswegen nach dem gerechten Vorschlag des 
irischen Konvents (s. S. 173) zu dem Schlusse gekommen, daß die ir. Selbst- 
verwaltung eine wesentliche Kriegsmaßnahme sei. Wenn die Regierung sie 
nicht durchbringen würde, dann sollten diejenigen, die dafür verantwortlich 
seien, daß es nicht zur Ausführung komme, gerechterweise die Verantwortung 
für die weitere Führung der Geschäfte übernehmen. Es wäre unmöglich, 
den Schwierigkeiten Englands zu begegnen, ohne ein einiges Land hinter 
sich zu haben. Aber man könne verlangen, daß eine jede Partei der Ge- 
rechtigkeit Genüge geschehen lasse. Man werde die Iren nicht nur drängen, 
ihren vollen Anteil an den Kriegslasten auf sich zu nehmen, sondern ihnen 
den Grundsatz der Selbstbestimmung sichern, für den England auf jedem 
Kriegsschauplatz kämpfe. 
Sodann wird der Antrag, die Dienstpflicht in Irland nicht einzuführen, 
mit 296 gegen 123 Stimmen verworfen und das Gesetz in dritter Lesung 
mit 301 gegen 103 Stimmen angenommen, während Asquith und seine 
Anhänger sich der Abstimmung enthalten. 
18. April. Veränderungen im Kabinett. 
„Reuter“ meldet amtlich: Lord Milner ist zum Staatssekretär für 
den Krieg, Earl of Derby zum Botschafter in Frankreich und Sir Austen 
Chamberlain zum Mitgliede des Kriegskabinetts ernannt worden. (Lord 
Milner war seit dem 10. Dez. 1916 ([Bildung des Kabinetts Lloyd Georgel 
Minister ohne Portefeuille, Earl of Derby seit diesem Zeitpunkt Kriegs- 
minister, Austen Chamberlain von 1915—17 fs. Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 304 
Staatssekretär für Indien. Botschafter in Paris war bisher Lord Bertie, 
der aus Altersrücksichten zurückgetreten ist. Die Neuernennungen bedeuten 
eine weitere Annäherung Lloyd Georges an die Unionisten, deren Unter- 
stützung er für seine irische Politik zu gewinnen sucht.) 
18. April. (Oberhaus.) Das Mannschaftsersatzgesetz (s. o.) 
wird angenommen. 
Das Gesetz erhält sofort die königliche Genehmigung. 
Europêischer Geschichtskalender. LlIX 12
	        
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