16 Bie ästerreichisch-ungarische Mosarchie und die Uachselgestaaten. Febr. 20.—22.)
seinerzeil durch eine gemischte Kommission nach ethnographischen Grund-
sätzen und nach Anhörung der Wünsche der Bevölkerung bestimmt werden
soll. Der diesbezügliche Passus lautet: „Zur Vermeidung von Mißverständ-
nissen bei der Auslegung des Punktes II Art. 2 des am 9. Febr. 1918 in
Brest-Litowsk zwischen Deutschland, Oesterreich--Ungarn, Bulgarien und der
Türkei einerseits und der ukrainischen Volksrepublik anderseits geschlossenen
Friedeusvertrag wird festgestellt, daß die im zweiten Alinca dieser Ver-
tragsbestimmung vorgesehene gemischte Kommission bei Festsetzung der
Grenze nicht gebunden ist, die Grenzlinie durch die Orte Bilgoraj, Szee-
zebrzszyn, Krasnostaw, Pugaszow, Radin, Meshiretschie. Sarnak zu legen,
sondern das Recht besitzt, auf Grund des Art. 11 Punkt 2 dieses Friedens-
vertrages die aus ethnographischen Verhältnissen und Wünschen der Be-
völkerung sich ergebende Grenze auch östlich der genannten Linie zu
führen. Die erwähnte gemischte Kommission wird aus Vertretern der ver-
tragschließenden Teile und aus Vertretern Polens gebildet werden, und jede
dieser Parteien wird die gleiche Anzahl von Delegierten in die Kommission
entsenden. Die vertragschließenden Teile werden im Einverständnis mit-
einander bestimmen, zu welchem Zeitpunkte diese Kommission zusammen-
treten wird.“ Eine andere Lösung der nationalumstrittenen Cholmer Frage
war nicht möglich, ohne den Frieden zu verderben. Rußland dekretierte
für seine Gebiete das bis zur völligen Lostrennung gehende Selbstbestim-
mungsrecht der Völker. Wir haben diesen Standpunkt für die besetzten Ge-
biete angenommen und alle Verhandlungen in Brest-Litowsk wurden auf dieser
Grundlage geführt. Wir haben das Selbstbestimmungsrecht der Völker von
Litauen, Kurland und Polen anerkannt und kein logischer oder moralischer
Grund ist auffindbar, der den Ukrainern das Recht nehmen soll, das den
anderen Völkern Rußlands gewährt wurde. Die Herren vom Polenklub
können nicht leugnen, daß ein großer Teil des Cholmer Gouvernements
stark mit ukrainischer Bevölkerung durchsetzt ist und daß auch diese Nation
das Recht hat, gehört zu werden. Die ernste Pflicht der österr.-ung. Re-
gierung war es, den Frieden zu erreichen. Das, was in Brest geschaffen
wurde, ist ein Friede für das Volk, und niemals hätten es die Völker
Oesterreich--Ungarns verstanden, wenn wir diesen Frieden zerschlagen, wenn
wir die Möglichkeit, Getreide zu erhalten, abgewiesen hätten, nur deshalb,
damit das Gouvernement Cholm in seiner ganzen Ausdehnung und be-
dingungslos an Polen falle. Zum Schlusse teilt v. S. mit, Deutschland
habe sich entschlossen, den aus Livland und Estland ihm zugekommenen
Hilferufen seiner Landsleute Folge zu leisten. Oesterreich-Ungarn werde
sich aber, in vollem Einvernehmen mit der deutschen Regierung, an dieser
Hilfsaktion nicht beteiligen, sondern sich darauf beschränken, den noch in
Rußland befindlichen Staatsangehörigen rascheste Unterstützung zu gewähren.
20.—22. Febr. (Osterr. Abg.-Haus.) Budgetprovisorium.
Das Haus beginnt die erste Lesung des (von der Regierung angesichts
der Unmöglichkeit, den Staatsvoranschlag 1917/18 genehmigt zu erhalten,
eingebrachten) viermonatigen Budgetprovisoriums. Die Beratung bietet
Gelegenheit zur eingehenden Besprechung der außenpolitischen Fragen.
Abg. Frhr. v. Götz gibt namens des Polenklubs eine gegenüber der
am 16. (s. o.) beschlossenen Fassung etwas gemilderte Protesterklärung gegen
die Abtretung Cholms an die Ukraine und gegen die Nichtzulassung der
poln. Delegierten zu den Brest-Litowsker Verhandlungen ab. Der Polen-
klub wünsche der jungen ukrain. Republik eine große Zukunft und hoffe,
daß die zwischen der ukrain. Volksrepublik und dem poln. Staate an den
Grenzen sich ergebenden nationalen Streitfragen ohne Beteiligung Dritter