Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

18 Die üsterreitischenngarische Monarthie und die Uathhfelgestaalen. Febr. 26. —28. 
26. Febr. Wechsel in der Leitung des Amtes für Volksernährung. 
An Stelle des auf Ansuchen zurücktretenden Ministers Generalmajor 
Anton Höfer wird der Direktorstellvertreter bei der Direktion für die Linien 
der Staatseisenbahngesellschaft Hofrat Ludwig Paul zum Präsidenten des 
Amtes für Volksernährung ernannt. 
27. Febr. Anderungen in der Leitung der Flotte. 
Durch Flottenbefehl Kaiser Karls wird die Leitung der Kriegs- 
marine neu geregelt. Während bisher der Flottenkommandant die gesamte 
operative und administrative Flottenleitung inne hatte, erfolgt nunmehr 
eine Dreiteilung der Geschäftsleitung, bestehend aus dem zur Verfügung des 
Kaisers gestellten Flaggenoffizier, der Inspektionsrecht ausübt, dem Chef 
der Marinesektion des Kriegsministeriums und dem Flottenkommandanten, 
dem die operative Führung der Flotte obliegt. Zum Flottenkommandanten 
wird an Stelle des Admirals Njegovan Konteradmiral Horthy ernannt. 
8. Febr. Einmarsch österr.-ung. Truppen in Podolien. (Näh. 
s. Kriegschronik.) 
Aus dem österr.-ung. Kriegspressequartier wird dazu gemeldet: Am 
25. Februar erschienen der (ukrain.) Kommissar für das Gouvernement 
Podolien Dr. Sicura und der Stabsoffizier des (ukrain.) Oberbefehlshabers 
der Südwestfront Nikolajew beim 54. Divisionskommando mit der Erklärung, 
daß sie mangels jeder Verbindung mit der Zentralrada gekommen seien, 
um namens des ukrain. Volkes zur Hilfe gegen die Gewalttätigkeiten und 
das verbrecherische Räuberwesen der Bolschewiki den Einmarsch der österr.= 
ung. Truppen in die Ukraine zu erbitten. Beide Abgesandte legitimierten 
sich vollkommen entsprechend und betonten ausdrücklich, daß sie ihre Bitte 
im Namen des ganzen ukrain. Volkes vorgebracht hätten. — Gleichzeitig 
verbreitet das „k. k. Tel.-Korr.-Bur.“ eine halbamtliche Auslassung, in der 
mitgeteilt wird, daß auch die bei den Friedensverhandlungen beteiligten 
Vertreter der ukrain. Zentralrada an die österr.-ung. Delegation am 27. 
Februar erneut die dringende Bitte um Intervention der österr.-ung. Truppen 
in dem an Ostgalizien anschließenden Gebiete gerichtet haben. Ferner 
wird betont, daß dieser Einmarsch einen durchaus friedfertigen Charakter 
tragen werde. 
Die „Köln. Ztg." bemerkt dazu: Innerpolitische Gründe hatten die 
österr.-ung. Regierung abgehalten, sich an dem deutschen Vormarsch in die 
Ukraine zu beteiligen, und auf demselben Gebiet liegt die Veranlassung 
für ihre jetzige völlig veränderte Haltung. Unter dem Druck der öffent- 
lichen Meinung hat sie sich dafür entschieden, ihre Truppen aus dem be- 
freiten Grenzland Galiziens nach Podolien vorrücken zu lassen. In der 
Wiener Presse war die Befürchtung aufgetreten, vor allem Oesterreich könne, 
wenn es nicht in der Ukraine vertreten sei, von der Versorgung mit Getreide 
ausgeschlossen werden, und der Nachdruck, mit dem die Zeitungen auf diese 
Möglichkeit hinwiesen, förderte den Entschluß zum Vormarsch, gegen den 
weder die Heeresleitung noch das Auswärtige Amt etwas einzuwenden hatte. 
.. Febr. (Osterr. Herrenhaus.) Vertrauenskundgebung für 
Graf Czernin. 
Nach zweitägiger eingehender politischer Aussprache nimmt das Haus 
eine gemeinsame Vertrauenskundgebung der Verfassungs- und der Mittelpartei 
für die Friedens- und Bündnispolitik des Grafen Czernin bei stark gelich- 
teter Rechten gegen zwei tschech. und zwölf poln. Stimmen, darunter die 
der gewesenen Minister Goluchowski und Bilinski, an.
	        
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