238 frankreich. Jan. 2.—11.)
VI.
Frankreich.
2. Jan. Friedensforderung der franz. Minderheitssozialisten.
Die berufene organisatorische Vertretung der franz. Minderheitssoz.
das Komitee für die Verteidigung des internationalen Sozialismus, nimmt
einstimmig folgende Entschließung an, die den unverzüglichen Anschluß
der Entente an die Brest-Litowsker Friedensverhandlungen verlangt: Das
Komitee ist der Ueberzeugung, daß die Friedensvorschläge der russ. Re-
gierung eine für alle Kriegführenden annehmbare Verhandlungsgrundlage
bieten, und daß die Mittelmächte eine diesem Vorschlage grundsätllich
günstige Antwort erteilt haben. Das Komitee erklärt, daß Frankreich und
seine Verbündeten unter diesen Umständen den Verhandlungen nicht fern-
bleiben dürfen, aus denen der Weltfrieden hervorgehen könne — ein Frieden
auf Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Völker und des Verzichts
auf Annexionen und Entschädigungen. Das Komitee ist der Meinung, daß
für die soz. Abg. die Verweigerung der Kredite zur Pflicht wird für den
Fall, daß die franz. Regierung auf ihrer Weigerung, die russischen Friedens-
vorschläge in Erwägung zu ziehen, beharrt. Das Komitee fordert die soz.
Parlamentsfraktion auf, im Einvernehmen mit den soz. Organisationen und
der gesamten franz. Arbeiterklasse energisch gegen diese Haltung der Re-
gierung, die die Interessen Frankreichs, des Sozialismus und der ganzen
Menschheit schädige, Einspruch zu erheben. Der Schluß der Erklärung wurde
von der Zensur gestrichen.
Diese Entschließung ist durch den Beschluß der franz. Regierung, das
Brest-Litowsker Friedensprogramm der Mittelmächte keiner Beachtung zu
würdigen, sowie durch die Weigerung Clemenceaus, den Sozialistenführern
Pässe für Petersburg auszustellen (s. Geschn al. 1917 Tl. 2 S. 489), veranlaßt.
5. Jan. Die Regierung erkennt die Unabhängigkeit Finnlands
an. („Temps“.)
Am 6. meldet der „Matin", daß die Regierung auch die Anerkennung
der ukrain. Republik beschlossen hat.
8. Jan. Protestnote der Schweiz. (S. Schw.)
8. Jan. Wiederbeginn der Parlamentssitzungen.
In der Kammer wird Deschanel, im Senat Dubost wieder zum
Präsidenten gewählt.
11. Jan. (Kammer.) Kriegszielfrage.
Auf der Tagesordnung steht die durch das Verhalten der franz.
Regierung gegen die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk veranlaßte
Interpellation der Soz. über die diplomatische Kriegführung. Abg. Marcel
Cachin (Soz.) setzt auseinander, warum seine Freunde Pässe für Peters-
burg gefordert hätten. Die Männer, die augenblicklich in Rußland die
Macht hätten, könnten begreifliche Vorurteile gegen die franz. Republik
haben, welche die Henker des Zaren unterstützt habe, aber trotzdem noch in
ihren Augen die große franz. Revolution vertrete. Er hoffe, daß die Re-
gierung die Pässe nach Rußland nicht verweigern werde, um zu erlauben,
daß diese Mißverständnisse beseitigt würden. — Abg. Albert Thomas (Soz.)
ersucht die Regierung um eine Erklärung über die Kriegsziele der Alliierten,
um Deutschland in die Lage zu versetzen, zu antworten. Die Bedingungen
seien unabhängig von der Kriegskarte und diese sei günstig genug, um sie