frankreich. (Febr. 18.) 249
ferner, daß die Rückgabe der Kolonien an jene, die sie vor dem Kriege
besaßen, oder der Austausch von Kolonialgebieten sowie Kompensationen, zu
welchen man greifen könnte, keine Hindernisse für den Friedensschluß bilden
könnten. Bezüglich Elsaß-Lothringens handle es sich nicht um eine Landfrage,
sondern um eine Rechtsfrage und daher um ein internat. Problem, ohne
dessen Lösung man Gefahr liefe, daß der Friede weder gerecht noch dauernd
wäre. Der Frankfurter Vertrag habe in demselben Augenblick, da er die
Einheit Frankreichs verstümmelte, auch das Recht der Elsässer und Lothringer
verletzt. Die Entschließung stellt endlich fest, daß Deutschland selbst durch
seine Kriegserklärung vom Jahre 1914 die Wirkungen des Frankfurter
Vertrages gebrochen habe, und daß der neue Friedensvertrag den Vorteil
dieser brutalen Eroberung und der der Bevölkerung angetanen Gewalt
null und nichtig erklären werde. Nach dieser Feststellung werde Frankreich
biner neuerlichen Befragung der Bevölkerung Elsaß-Lothringens zustimmen
önnen.
Am Nachm. verhandelt der Nationalrat in sehr erregter Debatte über
die innere Politik, insbes. über die Teilnahme der Partei an der Re-
gierung und die Genehmigung der Kriegskredite. Abg. Renaudel (Mehrh.=
Soz.) beantragt eine Tagesordnung, die, den Bestimmungen des Parteitages
von Bordeaux (s. GeschKal. 1917 Tl. 2 S. 449 ff.) entsprechend, die Teilnahme
an der Regierung und die Genehmigung der Kriegsausgaben unter be-
stimmten Voraussetzungen gestattet. Ein Gegenantrag Faure verlangt
namens der Gruppe der Mind.-Soz. die Ablehnung der Kriegskredite und
eine energische Bekämpfung der Regierung für den Fall, daß sie die Pässe
zum Besuch eines internat. Kongresses verweigern sollte. — Zur Begründung
seines Antrages erklärt Renaudel: Ich sage, daß zur jetzigen Stunde, in
der Deutschland eine furchtbare Kraftanstrengung vorbereitet, Ihr nicht das
Recht habt, durch eine brutale Ablehnung des Kriegskredites die öffentliche
Meinung zu verwirren. Wir können nicht den Glauben stärken, daß wir
die Verteidigung des Landes im Stich lassen, und können uns noch weniger
einer gewissen deutschen Propaganda anschließen. R. versichert, daß Deutsch-
land gegenwärtig eine gewaltige militärische Offensive vorbereite, aber auch
gleichzeitig einen entmutigenden Feldzug im Innern führe. Die deutsche
Regierung wolle Eroberungen machen und schrecke vor keinem Mittel zurück.
R. unterbreitet der Versammlung Dokumente, die in dieser Beziehung keinen
Zweifel bestehen ließen. (Der „Matin“ deutet in seinem Bericht über die
Versammlung an, daß die Dokumente Renaudels in Broschüren und in
einem großen Plakat bestünden mit der Ueberschrift: „Genug des Blut-
vergießens" und mit dem Schlußsatz „Franzosen, für den Frieden auf
die Barrikaden“. Der „Matin“ fügt hinzu, daß die Broschüre und die
Flugblätter, deren Renaudel sich bediente, in der Industriegegend von
St. Etienne und Lyon beschlagnahmt worden seien. Sie seien als Packpapier
mit Waren aus Spanien eingeführt worden, und ihr Druck und Stil be-
weise, daß sie deutschen Ursprungs seien.) — Schließlich wird der Antrag
Renaudel mit 1556 gegen 1415 Stimmen angenommen. Der Antrag Faure
erhält 1251 Stimmen. — Der Nationalrat nimmt ferner einen zweiten
Antrag Renaudel an, wodurch bis auf weiteres die Soz. ermächtigt werden,
das Amt eines Regierungskommissars zu übernehmen. Endlich wird fest-
gesetzt, daß die franz. Delegation zur Londoner Konferenz aus vier Mehrheits-
und vier Minderheitssozialisten bestehen soll.
18. Febr. Senator Charles Humbert (s. Gesch Kal. 1917 Tl. 2
S. 481) wird auf seinem Schlosse im Dep. Calvados verhaftet.
Am gleichen Tage wird auch der Direktor der „Journal“ Raymond