Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

264 krankreich. (Juli 1. — Aug. 6.) 
notwendig findet, den tschecho-slowak. Nationalrat als höchstes Organ und 
erste Grundlage der zukünftigen tschech. Regierung anzuerkennen“. Im 
weitern erinnert die Note an die denkwürdige Erklärung des böhm. Land- 
tages v. 8. Dez. 1870, wonach das tschech. Volk das einzige in Europa war, 
das durch seine Vertreter gegen die Annexion von Elsaß-Lothringen prote- 
stierte, sie dankt für die Ergebenheit, welche das tschech. Volk während des 
Krieges für die Sache der Verbandsmächte gezeigt hat, und verspricht, zu 
gegebener Zeit den ganzen Einfluß der franz. Republik daran zu setzen, 
damit die gerechten Forderungen des tschech. Volkes auf die Errichtung eines 
in seinen historischen Grenzen unabhängigen tschecho-siowak. Staates in 
Erfüllung gehen. 
Dieser Erklärung schließt sich am 1. Juli die engl. und am 2. die 
amerik. Regierung durch entsprechende Noten an. 
Am 30. Juni wird zwischen dem tschecho-slowak. Nationalrat und 
der ital. Regierung ein Vertrag abgeschlossen, der die vertragschließenden 
Parteien zur gegenseitigen Wahrung der Interessen beider Nationen ver- 
pflichtet und die politischen, militärischen, gerichtlichen und vollziehenden 
Rechtskräfte des tschecho-slowak. Nationalrates auf dem ital. Boden bestimmt. 
Aehnliche Verträge und Abmachungen werden mit den anderen Verbands- 
staaten abgeschlossen. 
Die Bildung der tschecho-slowak. Armee in Frankreich, Italien, 
Rußland und Amerika und ihre Anerkennung durch die Verbandsregierungen 
bedeuten den offiziellen Eintritt der tschech. Nation in den Krieg gegen 
die Mittelmächte. Am 30. Juni hält Präsident Poincaré in der Nähe 
der elsaß-lothr. Grenze bei Anwesenheit diplomatischer und militärischer 
Vertreter aller verbündeten Mächte eine große politische Rede und übergibt 
der tschech. Armee die Fahnen. Nachdem die Truppen den Eid abgelegt 
haben, begeben sie sich zur Besetzung der ihnen zugewiesenen Front. Am 
14. Juli nehmen tschech. Truppen zum erstenmal offiziell als gleichberechtigte 
Verbündete am franz. Nationalfest in Paris teil. 
1. Juli. Einführung des Postscheckverkehrs. 
4. Juli. Nationale Sozialistenpartei. 
Der „Voss. Zig.“ wird aus Kopenhagen gemeldet: Der neugegründeten 
franz. Partei, die sich „Patriotische Sozialistenpartei“ nennt, gehören 
40 Mitglieder der Kammer an. Die Partei gibt eine neue Tageszeitung 
„France libre“ heraus, die unter Leitung von Compere-Morel, Arthur 
Ruzier und Adrien Veber steht. Ihre Politik wird in einem Begrüßungs- 
artikel mit folgenden Sätzen zusammengefaßt: „Parti avant vie, France 
avant tout, France ou mort.“ Der eigentliche Leiter scheint Albert Thomas 
zu sein. Das Blatt vertritt die Anschauung, daß die Interessen des franz. 
Proletariats mit einem siegreichen Ausgang des Krieges eng verknüpft sind 
und daß mit einer deutschen Niederlage die Gefahr einer Versklavung des 
franz. Proletariats abgewandt würde. 
6. Juli. (Paris.) 7. Tagung des interall. Obersten Kriegsrates. 
Die Teilnehmer sind dieselben wie die der 5. und 6. Tagung. (S. S. 259.) 
10. Juli. (Kammer.) Der Auslieferungsantrag gegen den Abg. 
Turmel wegen Einverständnis mit dem Feinde wird mit 396 gegen 
69 Stimmen genehmigt. (S. dazu Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 452.) 
16. Juli—6. Aug. Prozeß Maldyy. 
Vor dem Senat in seiner Eigenschaft als politischem Gerichtshof
	        
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