Frankreich. (Juli 28.—29.) 269
deutung. Französische Arbeiter haben deutschen Kameraden die Hand gedrückt.
Diese Geste war von Wesenheit. (Beifall.) Der Internationalismus ist noch
nicht tot im franz. Proletariat. — Jouhaux, Führer der Mehrheit, ver-
teidigt sodann in mehrstündiger Rede seine Amtsführung und erklärt, daß
er viel dazu beigetragen habe, ernste Konflikte zwischen der Arbeiterschaft
und der Regierung beizulegen.
Schließlich wird mit 908 gegen 253 Stimmen bei 46 Enthaltungen eine
Entschließung über den Frieden angenommen, die der pazifistischen Minder-
heit weit entgegenkommt. Darin heißt es: Der Kongreß verurteilt die Fort-
setung der Geheimdiplomatie und verlangt als Bedingung einen allgemeinen
emokratischen Frieden, keine Annexionen, Selbstbestimmungsrecht der Völker,
Wiederherstellung der Unabhängigkeit und territorialen Integrität der be-
setzten Länder, keine Kriegsentschädigungen, keinen Wirtschaftskrieg nach dem
Kriege, Freiheit der Meere und Meerengen, internationales Schiedsgericht,
Gesellschaft der Nationen.
28.—29. Juli. (Paris.) Tagung des Nationalrats der soz. Partei.
Er hat die Aufgabe, einen allgemeinen Parteitag, der im Herbst statt-
finden soll, vorzubereiten.
Bei der Abstimmung über die eingebrachten Entschließungen betr. der
Stellung der Parteien zum Kriege (am 29.) erhält die (von der Zensur
unterdrückte) Entschließung der äußersten Linken (Loriot), die die Beendigung
der Feindseligkeiten und die Verweigerung der Kriegskredite verlangt, 152,
die Enischlichung der bisherigen Minderheit (Longuet) 1544, die Ent-
schließung der bisherigen Mehrheit (Renaudel), in der die nationale Unter-
stützung der Fortsetzung des Krieges gefordert wird, 1172 Stimmen bei 96
Stimmenthaltungen (der Mitte). Damit hat die Gruppe Longuet (wie
bereits auf der Tagung des soz. Verbands des Seinedepartements am 23.)
endgültig die Mehrheit erlangt. Ferner wird beschlossen, daß der all-
gemeine Parteitag am 6. Okt. in Paris zusammentreten soll, um diese Be-
schlüsse zu bestätigen. »
Die Entschließung Longuet betont eingangs, daß die Partei seit
Beginn des Krieges stets ihren Entschluß bekundet habe, an der nationalen
Verteidigung teilzunehmen. Sie stellt sodann fest, daß die Regierung un-
verantwortliche politische, diplomatische und militärische Fehler begangen
habe, und daß es nur dem unvergleichlichen Mute der franz. Soldaten zu
verdanken sei, wenn das Land immer wieder gerettet worden sei. Die Partei
verlange deshalb eine Revision der Kriegsziele der Entente und den Bruch
mit den imperialistischen Bestrebungen aller Art und eine genau umschriebene
Darstellung der franz. Kriegsziele auf den Grundlagen, die von der russ.
Revolution und vom Präsidenten Wilson umschrieben sind, deren allgemeine
Ideen über Krieg und Frieden ratifiziert sind von der Londoner Konferenz v.
23. Febr. 1918 (s. S. 161 ff.), an der die berufenen Vertreter aller sozialistischen
und Arbeiterorganisationen der Entente teilnahmen. Die Tagesordnung stellt
sich sodann auf den Boden des Völkerbundes im Sinne des ursprünglichen
Programmes des Präsidenten Wilson, erinnert aber die Arbeiterwelt daran,
daß der zukünftige Friede nur durch die Begründung einer sozialistischen
Weltordnung gesichert werden könne, da die kapitalistische Gesellschaft die
Unordnung und die Gewalt erzeuge. Die Partei erklärt sich deshalb ohne
Vorbehalt für die Einberufung eines internationalen Parteitages. Es sei
geboten, sich mit den Arbeiterorganisationen der Ententeländer ins Ein-
vernehmen zu setzen, um die Regierungen zu zwingen, den internationalen
Parteitag zu gestatten. Die Vertreter der Partei im franz. Parlament werden
aufgefordert, nötigenfalls die Kriegskredite zu verweigern, um die Pässe zu