Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Krankreich. (Aug. 3.—19.) 271 
bereite Truppen verfügen zu können. Die Regierung stelle daher bei allen 
Zusatzanträgen die Vertrauensfrage. — Die Mehrzahl der einzelnen An- 
träge wird sodann zurückgenommen oder abgelehnt und die einzelnen Artikel 
angenommen. U. a. wird ein Antrag Favre (Rad.), den Jahrgang 1920 
erst nach der Entlassung der Jahrgänge 1888—90 auszuheben, mit 312 
gegen 164 Stimmen abgelehnt. — Die Opposition der Soz. vertritt noch- 
mals Abg. Mayêras, der ausführt: Die Wahrheit ist, daß wir nicht das 
geringste Vertrauen zu den Versprechungen über die alten Jahrgänge haben. 
Clemenceau hat uns mit Versprechungen überschwemmt, er hat sie ebenso- 
wenig gehalten wie seine Vorgänger. Die zuletzt eingestellten Jahrgänge 
waren schon recht jung, die 17½ jährigen von 1920 sind viel zu jung, um 
eingestellt zu werden. Die Tatsache, daß man sie von uns verlangt, erweist, 
daß die Regierung elende Methoden anwendet. Rekrutieren ist viel einfacher 
als organisieren und verwenden. In Frankreich rekrutiert man auf wahn- 
sinnige Art. Mit dem Jahrgang 1920 verlangt man den sechsten Jahrgang 
seit Kriegsbeginn von uns. Immer wieder wird rekrutiert, niemals organi- 
siert. Damit wird man sein Ziel nicht erreichen. Dabei kommen die 
Amerikaner in Massen. Dann hat man uns von der Einheit der Front 
und der Leitung gesprochen. Auch die Einheit der Bestände hatte man uns 
zugesichert, sowie gleichmäßige Opfer. Auch das hat Clemenceau nicht er- 
reicht. Ferner hat er nicht die diplomatische Einheit, d. h. die gleiche 
Selbstlosigkeit bei allen Verbandsmächten durchgeführt. Wir wissen immer 
noch nicht, ob sich unsere Soldaten zur Verteidigung des Heimatbodens 
oder zugunsten von italienischen und englischen Eroberungen schlagen, auf 
die diese Länder nicht das mindeste Recht haben. Wir verweigern daher 
den Jahrgang 1920. Für den Verteidigungskrieg alle Opfer, für einen 
Krieg des Imperialismus nicht einen Mann. — Schließlich wird das Gesetz 
mit 325 gegen 47 Stimmen, bei 150 Enthaltungen angenommen. 
Am 2. nimmt der Senat das Gesetz an und vertagt sich bis zum 17. Sept. 
3. Aug. (Kammer.) Das Haus vertagt sich bis 5. Sept. 
6. Aug. Der Ministerrat verleiht General Foch die Würde eines 
Marschalls von Frankreich und General Pétain die Militärmedaille. 
In der von Clemenceau verfaßten Begründung des Ernennungsdekrets 
des Marschalls Foch wird bemerkt, daß Foch durch seine Gegenoffensive die 
vom Feinde gesuchte Entscheidung verhindert, Paris befreit, Soissons und 
Chateau-Thierry wiedererobert habe. 
8. Aug. Tagesbefehl des Generals Pétain. 
General Pétain richtet zu Beginn der franz. Offensive (s. Kriegs- 
chronik) an die Truppen folgenden Tagesbefehl: Vier Jahre der mit 
unseren treuen Alliierten unternommenen Anstrengungen, vier Jahre mit 
Geduld ertragener Entbehrungen beginnen ihre Früchte zu tragen. Des 
Feindes fünfter Versuch im Jahre 1918 ist gescheitert; er muß zurückweichen. 
Seine Bestände werden schwächer. Seine Haltung wird unsicher, während 
an Eurer Seite die kaum gelandeten Amerikaner den aus der Fassung ge- 
brachten Feind die Kraft ihrer Schläge fühlen lassen. Ununterbrochen an- 
der Spitze der kämpfenden alliierten Völker stehend, habt Ihr den Sieg von 
morgen vorbereitet. Gestern sagte ich Euch: Aufopferung, Geduld, Eure 
Kameraden kommen. Und heute sage ich Euch: Ausdauer, Wagemut, und 
Ihr werdet den Sieg erzwingen. Soldaten Frankreichs, ich grüße Eure 
Fahne, die neuer Ruhm schmückt! 
19. Aug. Zusammentritt der Generalräte.
	        
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