278 rankreich. (Okt. 6.—10.)
Reiches glauben, daß der Sieg ihnen endgültig entgangen sei. Sie sehen
ihre Armeen seit dem 18. Juli täglich unter dem Druck der Streitkräfte des
Verbandes weichen. Weitere Rückzüge werden anscheinend bald auf der
ganzen Front notwendig sein. Sie wollen dem Lande um jeden Preis die
Invasion ersparen, da sie Vergeltung fürchten für all die Greuel, die sie im
besetzten Frankreich begangen haben. Sie halten insbesondere darauf, daß
die Dynastie der Hohenzollern, Regierung und Armee ungeschwächt aus
dem tragischen Abenteuer hervorgehen. Nachdem Deutschland 50 Monate
lang die Gesetze des Krieges und der Menschlichkeit verletzt hat, verlangt
es heute, da es endlich die Stunde der Züchtigung herannahen fühlt, von
den Alliierten, daß sie die Waffen niederlegen. Das ist ein klares Ein-
geständnis der Niederlage. Zu diesem Ende scheut der Feind sich nicht, sich
unter den Schutzschild des edlen Namens Wilsons zu stellen, indem er sich
bereit erklärt, eine Aussprache auf der von ihm so beredt geformten Grund-
lage aufzunehmen. Aber Wilson hat im voraus auf die heuchlerische An-
regung geantwortet, als er am 27. Sept. 1918 im Einvernehmen mit den
Alliierten proklamierte, daß der Friede „nicht durch Feilschen oder durch einen
Vergleich mit den Regierungen der Mittelmächte"“ erzielt werden könne, daß
jeder Sieg der Alliierten über Deutschland die Nationen dem Frieden näher-
bringe, Sicherheit für alle Völker bringen und künftig die Wiederholung
eines so unbarmherzigen Ringens verhindern werde, sowie daß die Welt
den Endsieg der Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit wolle. Die einzige Ant-
wort, welche dieses Angebot eines faulen Friedens verdient, ist diejenige
unserer Vorfahren im Nationalkonvent: Man verhandelt nicht mit dem
Feinde, solange er auf dem Boden des Vaterlandes steht.
6.—10. Okt. (Paris.) Parteitag der franz. Soz.
Auf Antrag des Vorsitzenden Cachin tritt der Parteitag sofort an
das Friedensproblenm heran. Es wird eine Kommission niedergesetzt, um
eine Botschaft an den Präsidenten Wilson über das deutsche Friedens-
angebot festzustellen. In dieser Botschaft, die noch am gleichen Tage im
Plenum mit allen gegen drei (Kienthaler) Stimmen angenommen wird,
heißt es: Die Partei verzeichnet mit Freude das in der Friedensbitte der
Mittelmächte zum Ausdruck kommende Resultat der Jahre hindurch von
den bewundernswerten Soldaten der verbündeten Demokratien aufgewandten
Anstrengungen und Opfer. Sie erkennt darin auch ein Anzeichen der Sinnes-
änderung, die die feindlichen Völker zur klaren Anerkennung des Rechts
und der Freiheit führen muß. Ebenso glaubt die Partei, daß die Verbands-
regierungen, unbeschadet der zu verlangenden diplomatischen und mili-
tärischen Garantien, die gebieterische Pflicht haben, einen derartigen Vor-
schlag nicht hochmütig und ohne Diskussion zurückzuweisen, der tatsächlich
einen ernsthaften Aufang von Verhandlungen darstellt. Die Partei wünscht
sich dazu Glück, daß der Vorschlag an den Präsidenten Wilson gerichtet ist;
sie betrachtet ihn schon jetzt als einen sicheren Sieg der Demokratien. Der
deutsche Reichskanzler hat, indem er von einem Uebereinkommen über Elsaß-
Lothringen sprach, endlich zum erstenmal anerkannt, daß diese Frage zum
internationalen Recht gehört; er hat andererseits bei der Vorstellung seines
aus der Volksvertretung hervorgegangenen und im Einverständnis mit ihr
handelnden Kabinetts tatsächlich anerkannt, daß zur Herbeiführung und Er-
haltung des Friedens die einzelnen Staaten sich gegenseitig Garantien geben
müßten. Dieser erste Schritt zu demokratischen Lösungen muß vervollständigt
werden; die Partei ist entschlossen, eine kräftige Aktion in dieser Richtung
zu verlangen. Am 27. Sept. hat Wilson anerkannt, daß alle Arbeiterver-
einigungen fast bei jedem Zusammentreten, bei jeder Gelegenheit von ihren