302 Italien. (Febr. 12. -23.)
verstehen —, daß in einem Augenblick wie diesem unser ganzes Heer einem
Untersuchungsverfahren unterstellt werde.
Am 16. beantwortet der Minister des Aeußern Sonnino eine An-
frage des Abg. Longinotti (Kler.) über den Art. 15 des Londoner Vertrages,
wonach Italien die Ausschließung des Vatikans von den Friedens-
verhandlungen sich ausbedungen habe, indem er zunächst gegen den von
den Bolschewiken begangenen Vertrauensbruch protestiert und erklärt, er
weigere sich logischerweise seinerseits, über den Geheimvertrag positive An-
gaben zu machen. Aus Rücksicht auf die Gefühle des patriotischen kath.
Volksteiles für den Heiligen Stuhl erkläre er indessen, daß die ital. Re-
gierung darauf bedacht gewesen sei, in jeder Hinsicht das Garantiegesetz zu
beobachten und die höchste Achtung vor den Rechten des Heiligen Stuhles
und seiner vollen Handlungs- und Aeußerungsfreiheit zu üben. Er gedenke
jedoch, das Recht der ital. Regierung, in bezug auf die Zulassung von Ver-
tretern des Heiligen Stuhles zu einer eventuellen künftigen allgemeinen
Friedenskonferenz Einspruch zu erheben, nicht preiszugeben, zumal das,
was für den Heiligen Stuhl gelte, auch für andere nicht kriegführende
Staaten gelten werde. — Abg. Longinotti erklärt, die Ausführungen des
Ministers des Aeußern zur Kenntnis zu nehmen. Wenn die Friedens-
konferenz nur von den Kriegführenden allein werde abgehalten werden,
dann bleibe, was für die Katholiken schmerzlich sei, der Papst allerdings
davon ausgeschlossen.
Am 20. tadelt Abg. Treves (Soz.) in einer langen Rede die reaktionäre
Haltung der Regierung in der inneren Politik, namentlich gegenüber den
Sozialisten, und sucht hinsichtlich der auswärtigen Politik nachzuweisen,
daß heute nur übrig bleibe, zu Friedensverhandlungen überzugehen. Der
Londoner Vertrag habe sich nicht nur nicht als Anwendung der idealistischen
sittlichen und sozialen Grundsätze offenbart, für welche die Entente zu
kämpfen vorgebe, sondern müsse unter dem Gesichtspunkte dieser Grundsätze
geradezu verworfen werden. Der Begriff der strategischen Verteidigung
Italiens, aus dem territoriale Ansprüche abgeleitet werden, sei vieldeutig
und schwankend. Früher habe man in Italien als Grenzschutz nur das
andere Meerufer verlangt, dann habe man gefunden, daß auch das Hinter-
land des anderen Ufers unentbehrlich sei. Die Absichten des Präsidenten
Wilson seien zum großen Teile rätselhaft. Wilson spreche bald als Idealist,
bald mit der Autorität eines Gläubigers der Entente und denke unzweifel-
haft stets an politischen und wirtschaftlichen Gewinn Amerikas.
Am 23. äußert sich der Minister des Aeußern Sonnino eingehend
über außenpolitische Fragen. Er beginnt mit dem Hinweis auf die Erklärung
des Obersten Kriegsrates in Versailles, daß in den Reden des Grafen Hert-
ling (s. Tl. 1 S. 19 ff.) und des Grafen Czernin (s. S. 6 ff.) keinerlei An-
näherung an die Bedingungen der Verbündeten zu erblicken und mithin die
einzige Obliegenheit der Entente die Sicherung der energischen Fortsetzung
der militärischen Unternehmungen sei und hebt in diesem Sinne die ein-
zelnen, seines Erachtens für Hertlings Rede kennzeichnenden Punkte hervor.
Im Anschluß an die Erwähnung, daß Deutschland die Regelung der Inter-
essen Italiens, Serbiens, Rumäniens und Montenegros Oesterreich-Ungarn
überlasse, geht S. zur Rede des Grafen Czernin über. Auch hier finde man
nur, daß jegliche Aufklärung völlig verweigert werde. Graf Czernin habe
bemerkt, daß er gegenüber Italien, Serbien, Rumänien und Montenegro
Konzessionen ablehne, welche einseitig den Feinden zugute kämen. Hinsicht-
lich Italiens habe er nur gesagt, es habe mit dem Krieg alle ihm einst
dargebotenen Vorteile, bestehend in bedeutenden territorialen Konzessionen,
für immer eingebüßt. In Betreff Belgiens und der Türkei sei Oesterreich-