Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Italien. (April 18. 19.) 307 
Mächte, die mit Gewalt die anderen Völker unterjochen. Ferner wird fol- 
gende Entschließung angenommen: „Die Italiener, Polen, Tschechen und 
Südslawen stellen ihre Grundsätze wie folgt fest: 1. Ein jedes dieser Völker 
proklamiert sein Recht, seine Nationalität in nationaler Einheit zu kon- 
stituieren oder sie in voller politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit 
zu vervollständigen und zu vereinigen. 2. Ein jedes dieser Völker erkennt 
in der österr.-ung. Monarchie ein Instrument der deutschen Herrschaft und 
ein fundamentales Hindernis für die Verwirklichung seiner Aspirationen 
und seiner Rechte. 3. Die Versammlung erkennt daher die Notwendigkeit 
des gemeinsamen Kampfes gegen die gemeinsamen Unterdrücker an, damit ein 
jedes Volk zu seiner vollen Befreiung und zur vollständigen nationalen 
Einheit, zu seinem eigenen freien Staatswesen gelangt.“" 
Die Vertreter des ital. und des süd slaw. Volkes erklären folgendes: 
„Hinsichtlich der Beziehungen zwischen der ital. Nation und der Nation der 
Serben, Kroaten und Slowenen, die auch unter dem Namen Südflaw. 
Nation bekannt ist, erklären die Vertreter dieser beiden Völker, 1. daß die 
Einheit und die Unabhängigkeit der südslaw. Nation ebenso im Lebens- 
interesse Italiens liegt, wie die Unversehrtheit und Einheit der ital. Nation. 
ein Lebensinteresse für die südslaw. Nation bedeutet. Aus diesem Grunde. 
verpflichten sich die Vertreter der beiden Völker, sich dafür einzusetzen, daß 
während des Krieges und bei Friedensschluß dieses Ziel der beiden Nationen 
vollständig erreicht wird. 2. Erklären sie, daß die Befreiung des Adriatischen. 
Meeres und dessen Verteidigung gegen jeden gegenwärtigen oder zukünftigen 
Feind im ureigensten Interesse der beiden Völker liegen. 3. Verpflichten sie 
sich, jeden territorialen Streitfall gemäß dem Grundsatze der Nationalitäten 
und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker im Interesse guter und auf- 
richtiger Beziehungen in freundschaftlicher Weise zu regeln, unbeschadet der 
Lebensinteressen der beiden Völker, über die bei Friedensschluß entschieden 
werden soll. 4. Wird denjenigen Gruppen des einen der beiden Völker, die 
in die Grenzen des andern einbezogen werden sollten, das Recht auf ihre 
Sprache, Kultur, wirtschaftlichen und moralischen Interessen gewährleistet.“ 
18. April. (Kammer.) Eröffnung der Session, Vorlagen. 
Ministerpräsident Orlando führt bei diesem Anlaß aus, er glaube 
zu Beginn der gegenwärtigen Session keine Erklärung abgeben zu müssen, 
um eine neue allgemeine Besprechung zu verhüten. Die Kammer solle in 
erster Linie den Blick auf die große Schlacht lenken, die an der franz.-engl. 
Front wüte, deren entscheidende Bedeutung für die Zukunft der Welt alle 
fühlten. In dem Augenblicke, wo der Kampf den Höhepunkt erreicht habe, 
könne Italien an der Seite der Alliierten nicht fehlen, obgleich es sich be- 
wußt sei, daß es voraussichtlich selbst in das riesenhafte Ringen verwickelt 
werden würde. Ohne vor der Oeffentlichkeit auf die Einzelheiten über die 
ital. Hilfe eingehen zu wollen, erkläre er, daß in kurzer Zeit die Fahnen 
ital. Regimenter auf den Schlachtfeldern in der Picardie und in Flandern 
neben französischen, englischen, amerikanischen, belgischen und portugiesischen 
Fahnen flattern würden. 
O. bringt sodann eine Vorlage über eine Verlängerung der gegen- 
wärtigen, am 23. Okt. ablaufenden Legislaturperiode um ein weiteres Jahr 
und eine Vorlage über Verleihung des Wahlrechtes an alle Bürger ein, 
die Heeresdienst geleistet haben, auch wenn sie noch nicht 21 Jahre alt find. 
Die Vorlagen werden an eine Kommission verwiesen. 
19. April. Unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten Orlando 
wird eine Kommission für Ubergangswirtschaft gebildet. 
20“
	        
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