Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Stalien. (Aug. 1.— Sept. 5.) 313 
große Erregung. Der römische Ausschuß der soz. Parteileitung fordert im 
„Avanti“ alle Porteimitglieber auf, die Beteiligung an Körperschaften und 
Handlungen, die die Mitarbeit der Sozialisten benötigen, als Protest gegen 
die diktatorische Regierungsmaßnahme abzulehnen. Von Turati u. a. wird 
dieser Vorschlag bekämpft, da er den Soz. die Möglichkeit nehme, auf die 
Körperschaften im revolutionären Sinne einzuwirken. Nach dem „Avanti“ 
v. 30. beschließt die Parteileitung, zur Erledigung der wichtigsten Partei- 
fragen, besonders über die Beteiligung der Parteisozialisten an dem Re- 
gierungsausschuß für die Uebergangswirtschaft, bei allen Gruppen der Partei- 
Lebtasas eine Rundfrage zu veranstalten, die am 15. Sept. abgeschlossen 
ein soll. 
1. Aug. Einführung des Postschecksverkehrs. 
1. Aug. Prozeß wegen des „Benedetto Brin“. 
Die „Ag. Stef.“ meldet: Das Kriegsgericht in Rom verkündete das Urteil 
in dem Hochverratsprozeß wegen Versenkung des Panzers „Benedetto Brin“. 
Giorgio Carpi und Achillo Moschini wurden zur Degradation und zum 
Tode durch Erschießen in den Rücken, Bartolini zu lebenslänglicher Zwangs- 
arbeit und Degradation verurteilt. Mario Azzoni wurde freigesprochen, da 
ihm ein Verschulden nicht nachgewiesen werden konnte. — (Der „Benedetto 
Brin“ flog am 27. Sept. 1915 im Hafen von Brindisi in die Luft. Nach 
langer Zeit erst wurde herausgebracht, daß ein Höllenmaschinenanschlag das 
Schiff vernichtet habe.) 
2. Aug. Ausdehnung der Dienstpflicht. 
Durch Regierungserlaß wird die militärische Dienstpflicht auf die im 
Ausland geborenen, im Ausland lebenden ital. Staatsangehörigen und die 
in Italien naturalisierten Ausländer ausgedehnt. 
3. Aug. Turiner Aufruhrprozeß. 
Die „Ag. Stef.“ meldet: Im Prozeß wegen der Augustereignisse in 
Turin (s. Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 513) verlas der Präsident des Militär- 
gerichts den Urteilsspruch, der in Erwägung dessen, daß die den Angeklagten 
zur Last gelegten Vergehen einen indirekten Verrat bilden, folgende Strafen 
verhängt: Barberis sechs Jahre einen Monat Zuchthaus, Ravezzana vier 
Jahre Gefängnis, Serrati (Direktor des soz. „Avanti“) drei Jahre sechs 
Monate Gefängnis, Pianezza, Giudice, Dalberto je drei Jahre einen Monat 
Gefängnis, alle anderen Angeklagten wurden freigesprochen. — Der mit 
großem Aufwand inszenierte Prozeß hat sich als ein Schlag ins Wasser 
erwiesen. Vor allem gelang es nicht, den von der gesamten Reaktion ge- 
wünschten Beweis zu erbringen, daß die Turiner Unruhen das künstliche 
Erzeugnis der Verschwörung einiger weniger Parteiführer gewesen seien. 
Die Verhandlungen haben vielmehr ergeben, daß der Aufruhr spontan aus 
der damaligen Brotknappheit und der Kriegsmüdigkeit der Massen hervor- 
gegangen ist. - 
20.Aug.Osterr.sital.Konferenz.(S.Schweiz.) 
1.—5. Sept. (Rom.) 15. ital. Sozialistenkongreß. 
Der im Juli (s. o.) von der Regierung verbotene Kongreß wird in 
der Form einer privaten Veranstaltung hinter verschlossenen Türen zu- 
gelassen. Von den vorliegenden Tagesordnungen erhält die der extremen 
Richtung 14015, die der intransigenten zentralistischen Richtung 2507, die 
der parlament. Gruppe 2505 Stimmen. — Damit hat also die kriegsfeind- 
liche Strömung des „Avanti“ in der Partei den Sieg erlangt. Die Tages- 
ordnung der extremen Richtung besagt: Der Sozialistenkongreß billigt
	        
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