Italien. (Nov. 27.—Dez. 10.) 323
Die Kammer nimmt sodann in namentlicher Abstimmung mit 325
gegen 33 Stimmen die von der Regierung gebilligte Tagesordnung Barzilai
an. Diese lautet: Die Kammer billigt das Werk der Regierung und ihre
Erklärungen, nach denen unsere Wünsche erfüllt sind und die Einigung des
Vaterlandes vollzogen ist, und geht zur Tagesordnung über.
Am 28. löst sich die während des Krieges von Giolitti gebildete
Kammergruppe der Parlament. Union auf, da sie ihre Aufgabe als er-
füllt betrachtet.
27. Nov. (Rom.) Eröffnung der Konferenz der Verbands-
mächte zur Durchführung der maritimen Bestimmungen des Waffen-
stillstands.
28. Nov. Erneuerung des ital.-schweiz. Wirtschaftsabkommens in
Bern. (S. Schweiz.)
30. Nov. Durch Regierungsdekret wird das dem Deutschen Reiche
gehörige Botschaftsgebäude in Rom, der Palazzo Caffarelli, enteignet.
Die schweiz. Regierung wird von der deutschen Gesandtschaft in Bern
im Auftrage der Reichsregierung gebeten, durch ihre Gesandtschaft in Rom
gegen diese völkerrechtswidrige Maßnahme der ital. Regierung sofort nach-
drücklichst Protest zu erheben. Als Entschädigung bietet die ital. Regierung
2 Mill. Lire.
2. Dez. (Kammer.) Das Haus vertagt sich bis zum 1. Jan. 1919.
An den vorausgehenden Tagen hat die Kammer das Budgetprovi-
sorium für die Zeit bis zur gesetzmäßigen Verabschiedung der einzelnen
Ressortbudgets bewilligt.
5. Dez. (Rom.) Vor dem Kriegsgericht beginnt der Hochverrats-
prozeß gegen den ehem. Abg. Cavallini. (S. dazu S. 246.)
9. Dez. Forderungen der Sozialisten.
Auf einer Versammlung der sozialistischen Parteileitung in
Bologna wird einstimmig folgende Tagesordnung angenommen: Der Vor-
stand der ital. Sozialistenpartei erklärt, er glaube, daß der historische Augen-
blick für die internationale Verwirklichung des Sozialismus gekommen sei.
Der Krieg, der typische Ausdruck des Klassenkampfes, hat dem Gehirn des
bescheidensten Proletariers gezeigt, was die wirtschaftliche Auffassung des
Bürgertums, die auf dem Privateigentum basiert, sei. (Zensurlücke von
6 Zeilen.) Der internationale Friede wird erst nach Zertrümmerung der
bürgerlich-kapitalistischen Herrschaft verwirklicht werden können. (18 Zeilen
Fenfurlück= Die Parteileitung beschließt demnach, um inzwischen die neue
ampfphase gegen die Klassenherrschast zu beginnen, einen Aufruf an die
Arbeiter zu richten, um durchzusetzen: 4. sofortige Demobilisation des Heeres,
2. sofortige Zurückberufung der Soldaten aus dem revolutionären Rußland,
3. Anspruch auf die Grundfreiheiten des bürgerlichen Lebens, 4. Amnestie
für alle, die wegen politischer und militärischer Vergehen verurteilt sind.
10. Dez. Forderungen der Republikaner.
Der „Deutsch. Allg. Ztg.“ wird aus Zürich gemeldet: In Florenz
wurde die Zusammenkunft der republikanischen Partei eröffnet. Nach
langer Erörterung drang die Forderung durch, eine verfassunggebende Ver-
sammlung einzuberufen. Der Beschluß sagt, die Partei müsse jetzt nach Be-
endigung des Krieges wieder ihre eigene Politik aufnehmen. Es wurde ferner
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