Bie Merreiczisch-#ungariscte Monarchie und die Aachfelgestaaten. (April 27. Mai 3.) 29
(s. 4. April) und der dadurch verursachte Rücktritt des Grafen Czernin
möchten eine Schädigung der bewährten Bündnispolitik und des Ansehens
der Krone zur Folge haben, vorstellig wird, gibt Ministerpräsident Dr.
v. Seidler eine Erklärung ab, worin er darlegt, die Ansicht der Parteien,
er habe den Grafen Czernin nicht hinreichend unterstützt und nicht die
nötige Fühlung mit ihm aufrechterhalten, sei unrichtig. Zwischen ihm und
Czernin habe volle sachliche Uebereinstimmung geherrscht, nur in taktischen
Fragen seien ihre Anschauungen nicht immer dieselben gewesen. S. erklärt
ferner, daß nach seiner Meinung auch der Träger der Krone in einem
konstitutionell regierten Staate das Recht der persönlichen Freiheit, also auch
jenes der freien Meinungsäußerung, in Anspruch nehmen könne. Selbst-
verständlich fielen nicht nur jene Regierungsakte, die sich formell als solche
bekunden und daher als verfassungsmäßig auch der Gegenzeichnung be-
dürfen, sondern auch alle jene Handlungen des Trägers der Krone, die
rein politischen Charakter an sich tragen, somit dem Gebiete der Re-
gierungstätigkeit angehören, in den Bereich der konstitutionellen Verant-
wortlichkeit und bedürften demnach der erforderlichen verfassungsmäßigen
Deckung durch die hierzu berufenen Faktoren. S. fügt hinzu, daß er nach
seiner Ueberzeugung durch die von ihm vertretene Auffassung auch den
Intentionen des Kaisers entspreche. Er erklärt schließlich, er habe nie etwas
von einer Nebenregierung bemerkt, wäre dies der Fall gewesen, säße er
nicht mehr an seinem Platz.
Dadurch ist die infolge der letzten politischen Vorgänge das Kabinett
Seidler bedrohende Krise beseitigt.
27. April. (Ung. Abg.-Haus.) Annahme eines zweimonatigen
Budgetprovisoriums.
Das Magnatenhaus stimmt am 29. zu.
3. Mai. Vertagung des Reichsrates.
Amtlich wird bekanntgegeben, daß Kaiser Karl den Ministerpräsidenten
ermächtigt hat, den Reichsrat zu vertagen und behufs Ermöglichung der
Wiederaufnahme seiner Tätigkeit sofort die erforderlichen Verhandlungen
einzuleiten. Auf Grund dieser Ermächtigung hat der Ministerpräsident an
die Präsidenten der beiden Häuser des Reichsrates eine Zuschrift gerichtet,
mittels welcher die Vertagung des Reichsrates mit 4. Mai d. J. aus-
gesprochen wurde.
Die „Wiener Ztg.“ veröffentlicht dazu eine halbamtliche Auslassung,
worin es heißt: In der gegenwärtigen hoffnungsreichen, aber schweren
Zeit muß auch Oesterreich seine volle Kraft in den Dienst der großen Sache
stellen; alles muß unterbleiben, was die freie Betätigung dieser Kraft
hindert, was in nutzlosen Reibungen einen Teil von ihr aufzehrt. Kein
guter Staatsbürger wird die Wahrheit dieses Satzes bezweifeln. Dennoch
vermochte bisher trotz aller hingebungsvollen Bemühungen der für die
staatlichen Interessen eintretenden Parteien der Gang der parlamentarischen
Arbeit sich den Bedürfnissen der Zeit nicht hinlänglich anzupassen. Immer
wieder hemmte die Nachwirkung alter Streitfragen und das Hervortreten
unerfüllbarer Zukunftswünsche die volle Verwertung der reichen staatlichen
Energien. Die Befriedigung der elementarsten Staatsnotwendigkeiten, die
anderwärts zum Selbstverständlichen des verfassungsmäßigen Lebens ge-
hört, war vielfach nur unter geradezu krisenhaften Spannungen durch-
zusetzen. Parlamentarische Zwistigkeiten banden die Wirksamkeit der Re-
gierung und behinderten sie in der Obsorge für die brennen dsten Fragen
der Wirtschaft. Die Regierung hat es diesen Erscheinungen gegenüber nicht