Rämische Kurie. (Nov. 23.—Dez. 24.) 327
bei einer anderen Gelegenheit wiederholten Wunsch zum Ausdrucke gebracht,
daß die territorialen Fragen zwischen Oesterreich und Italien eine den ge-
rechten Aspirationen der Völker entsprechende Lösung erfahren mögen, und
kürzlich haben Wir Unserem Nuntius in Wien Weisungen erteilt, sich in
freundschaftliche Beziehungen zu den verschiedenen Nationalitäten Oesterreich-
Ungarns, die sich jetzt in unabhängige Staaten konstituiert haben, zu setzen.
Die Kirche, diese vollkommene Gesellschaft, die als einzigen Zweck die Hei-
ligung der Menschen jeder Zeit und jedes Landes hat, paßt sich ebenso den
verschiedenen Regierungsformen an, wie sie ohne irgendwelche Schwierig-
keit legitime territoriale und politische Veränderungen der Völker annimmt.
Wir glauben, daß, wenn diese Unsere Urteile und Ansichten allgemeiner
bekannt würden, kein vernünftiger Mensch darauf bestehen wird, Uns grund-
los ein Bedauern in bezug auf unser geliebtes Italien zu unterstellen.
23. Nov. In einem Schreiben an den Warschauer Erzbischof
erkennt der Vatikan die Unabhängigkeit Polens offiziell an.
23. Nov. Der Papst für Milderung der Waffenstillstands-
bedingungen.
Aus München wird gemeldet: Auf die Bitte des Erzbischofs Faul-
haber, der heilige Vater möge sich bei den Ententeregierungen um die
Aufhebung der Blockade bemühen und sich für die Einfuhr von Lebens-
mitteln nach Deutschland verwenden, ist nachstehende Antwort aus dem
päpstlichen Staatssekretariat eingelaufen: S. Heiligkeit, welche sich bereits
beim Präsidenten der Ver. Staaten um die Milderung der Bedingungen
des Waffenstillstands verwendet hatte, hat auch jetzt sogleich beim amerik.
und franz. Episkopat, sowie bei der engl. Regierung Schritte getan.
5. Dez. Enzyklika zur Friedensfrage.
Der „Osservatore Romano“ veröffentlicht ein päpstliches Rund-
schreiben, worin die Freude über die Beendigung des Blutvergießens
und der Zerstörungen zu Wasser und zu Land und in der Luft durch den
Waffenstillstand und über die Aussicht auf den Frieden ausgedrückt wird.
In kurzer Zeit, heißt es in der Enzyklika, werden sich die Abgesandten der
verschiedenen Nationen zu einem Kongreß versammeln, um der Welt einen
gerechten und dauerhaften Frieden zu verschaffen. Sie werden also große,
schwerwiegende und verwickelte Entscheidungen zu treffen haben, wie sie
bisher nie eine Vereinigung getroffen hat. Es ist nicht nötig, zu sagen,
wie sehr sie von göttlichem Licht erleuchtet sein müssen, um sich ihrer Auf-
gabe aufs beste zu entledigen. Das Rundschreiben ordnet Gebete an, damit
ein wirklicher Friede, gegründet auf die christlichen Grundsätze und die
Gerechtigkeit, die Frucht des bevorstehenden Kongresses sei. Was uns be-
trifft, sagt der Papst, werden wir unseren ganzen Einfluß aufbieten, damit
die zur Sicherung der Ruhe und Ordnung und der Einigkeit der Welt ge-
troffenen Entscheidungen überall gern angenommen und von den Katholiken
treu durchgeführt werden.
24. Dez. Weihnachtsansprache des Papstes.
Auf die Glückwunschadresse der Kardinäle antwortet der Papst mit
einer längeren Ansprache, worin er sagt, es sei das erste Mal seit seiner
Besteigung des päpstlichen Stuhles, daß er die ihm dargebrachten Glück-
wünsche freudig annehmen könne. Er rufe vom vatikanischen Hügel die
himmlische Hilfe auf die großen Zusammenkünfte der Völker herab, um den
Frieden der Welt zu sichern. Seine Gebete und Wünsche richteten sich nicht
allein auf die Wiederherstellung der Ordnung, sondern auch auf die Wieder-