30 Jeie äkerreichisz-ansarische Monarchie und die Nachselsestasten. Mai 3.)
an Versuchen fehlen lassen, in inniger Gemeinschaft mit dem Reichsrate
Wandel zu schaffen. Sie wollte die innerpolitischen Probleme auf den
Boden einer sostematischen Behandlung hinüberführen, wo sie, ohne die
erfolgreiche Abwicklung der aktuellsten Aufgaben zu gefährden, ihrer end-
gültigen, allseits befriedigenden Lösung nähergebracht werden könnten. Sie
bemühte sich, durch einen lebhaften Kontakt mit allen Parteien jene Atmo-
sphäre des wechselseitigen Vertrauens zu schaffen, die eine Ausschaltung
staatsrechtlicher Gegensätze aus der laufenden parlamentarischen Arbeit und
die Zusammenfassung aller Kräfte auf ein großangelegtes wirtschaftliches
Programm ermöglichen sollte. Leider ist der Erfolg bisher ansgeblieben.
Trotz einzelner aussichtsvoll scheinender Ansätze vermochte die Volksvertretung
vorläufig noch nicht, eine gefestigte Orientierung zu finden. Wie die Dinge
liegen, würde momentan die Wiederaufnahme der Verhandlungen des Reichs-
rates keineswegs eine Erleichterung der Lage mit sich bringen, sondern
aller Voraussicht nach nur zu einer Verschärfung der politischen Gegensätze
führen. Zugleich würden die Schwierigkeiten des parlamentarischen Be-
triebes die Erfüllung jener wirtschaftlichen Aufgaben gefährden, von deren
erfolgreicher Lösung gegenwärtig alles abhängt. Unter diesen Umständen
ist auf Grund kaiserlicher Ermächtigung die Vertagung des Reichsrates
erfolgt. Sie knüpft an die Verhandlungspause an, die beide Häuser bereits
autonom haben eintreten lassen, und wird jedenfalls auf eine so kurze
Dauer beschränkt bleiben, daß es möglich sein wird, noch vor der Sommer-
pause die Staatsnotwendigkeiten ohne Anwendung des Notverordnungs-
rechtes zu erledigen. Bis zum Wiederzusammentritte des Parlaments, der
nach ihrer festen Absicht sobald als nur irgend möglich erfolgen soll, wird
die Regierung ihre ganze Kraft den wirtschaftlichen Problemen der Zeit,
vor allem den Aufgaben der Volksernährung, zuwenden. Sie wird es sich
angelegen sein lassen, der Bevölkerung jede Erleichterung zu bieten, auf
welche diese dank ihrer aufopfernden Haltung vollen Anspruch hat; sie
wird in jeder Richtung die Vorbedingungen für das erfolgreiche Ausharren
zu schaffen trachten. Zugleich aber wird sie sich eifrigst bemühen, vor-
handene Möglichkeiten der Verständigung zu pflegen und zur Reife zu
bringen, damit das Vaterland nach dem Wiederzusammentritte des Reichs-
rates aufs neue sich eines ungehemmten Verfassungslebens erfreuen dürfe.
Ihr Ziel ist und bleibt, das glorreiche alte Oesterreich aus den Stürmen.
des Krieges glücklich herauszuführen und ihm innerhalb der versöhnten
Welt einen Platz zu sichern, auf dem es sich ruhmreich behaupten und
kraftvoll entwickeln soll — als ein friedlicher, starker und treuer Hort für
seine Völker und alle ihre Schichten.
Die Notwendigkeit der Vertagung ergab sich aus der ablehnenden
Haltung fast aller Parteien gegenüber der Regierung Seidler, die keinerlei
Gewähr hatte, auch nur die dringendsten Staatsbedürfnisse bewilligt zu
erhalten. Die Regierung sieht sich also vor die Aufgabe gestellt, sich zu-
nächst auf dem Wege der Verhandlungen mit den einzelnen Parteien eine
Parlamentsmehrheit zu schaffen. Wie der Ministerpräsident am 3. in der
Obmännerkonferenz des Abg.-Hauses mitteilt, besteht die Absicht, als
erste Grundlage der Verfassungsrevision baldigst (s. S. 33 f.) durch eine
Verordnung des Gesamtministeriums Kreishauptmannschaften in Böhmen,
und zwar mit national abgegrenzten Sprengeln, zu errichten. Ferner soll.
die völkerverhetzende Agitation für den südflawischen Staat mit allen ge-
setzlichen Mitteln eingedämmt werden. Durch diese Zugeständnisse, die den
dringendsten Forderungen der Deutschen entgegenkommen, freilich auf seiten
der Tschechen und Südflawen dem schärfsten Widerstand begegnen, hofft die
Regierung, die Unterstützung der deutschen Parteien zu gewinnen.