344 Belgien. (Febr. 8. 16.)
Schauburg zu Brüssel die völlige Selbständigkeit Flanderns feierlich ver-
kündet. Durch Zuruf werden sodann die Mitglieder des neuen Rates von
Flandern für die Provinz Brabant (Kreis Brüssel) und des an Stelle des
bish. Provinzialrates einzurichtenden Gaurates von Brabant (Kreis Brüssel)
gewählt. Aehnliche Wahlversammlungen finden in den folgenden Wochen
in sämtlichen größeren Gemeinden der fläm. Provinzen, einschließlich des
Etappengebiets statt. Besonders eindrucksvoll gestalten sich die Kundgebungen
außer in Brüssel in Gent, Antwerpen, Löwen und Lokeren. (S. auch 7. März.)
Am 31. Jan. meldet die ital. „Tribuna“, die belg. Regierung habe
an ihre Vertreter im Auslande eine Note gerichtet, mit der Aufforderung,
allen Regierungen offiziell den Protest Belgiens gegen den deutschen
Versuch, die flämische Frage als eine internationale Frage zu behandeln,
zu überreichen. Die Belgier, die sich unter dem Namen eines „Rates von
Flandern“ zur Verfügung stellten, seien Personen ohne Verantwortlichkeit
und ohne Auftrag. Alle wirklich flämischen Männer, Senatoren, Abgeordneten
und Führer der politischen Parteien Belgiens, ferner alle richterlichen, Ge-
meinde-, Provinz= und Kirchenbehörden hätten gegen den separatistischen
Versuch ihren Protest eingelegt.
8. Febr. Vorgehen des Brüsseler Appellhofes gegen den Rat
von Flandern.
Auf Grund eines Beschlusses des Brüss. Appellhofes, der durch eine
Anweisung der belg. Regierung in Havre, gegen die Mitglieder des Rates
von Flandern Strafverfolgung einzuleiten, veranlaßt ist, werden (am 8.)
zwei Mitglieder des Rates von Flandern verhaftet, doch bewirkt die deutsche
Behörde ihre sofortige Freilassung. Die Richter, die an dem Beschluß mit-
gewirkt haben, werden von der Ausübung ihres Amtes ausgeschlossen, und
von den vier Senatspräsidenten des Appelhofes werden drei nach Deutsch-
land verschickt. Darauf beschließt der Kassationshof (am 11.) mit 17 gegen
12 Stimmen den Richterstreik
Generalgouverneur Frhr. v. Falkenhausen richtet, wie das „WTB.“
am 21. mitteilt, in dieser Angelegenheit an den Generalstaatsanwalt beim
Kassationshof in Brüssel einen Brief, worin es heißt: Der Kassationshof
stützt sich auf ein Schreiben des Verwaltungschefs beim Generalgouverneur
vom 22. März 1916, das den Gerichten mit Ermächtigung meines Amts-
vorgängers ihre Unabhängigkeit gewährleistete. Auch ich stehe grundsätzlich
auf dem Boden dieses Schreibens; es war stets mein ernstes Bestreben,
trotz aller Schwierigkeiten im Interesse des Landes eine geordnete Zivil-
und Strafrechtspflege aufrechtzuerhalten. Der Kassationshof zitiert aber das
erwähnte Schreiben nur halb. Er vergißt den zweiten Teil des Schreibens,
der wie folgt lautet: „Im Einklang mit den eigenen Ausführungen des
Kassationshofes gebe ich meinerseits dem Vertrauen Ausdruck, daß die bel-
gischen Richter in loyaler Anerkennung der vollzogenen Tatsachen und ihrer
völkerrechtlichen Folgen bei der Ausübung ihres Amtes sich jeder feindseligen
Haltung oder Kundgebung gegen die besetzende Macht enthalten werden."“
Dieser Voraussetzung für die im ersten Teil des Schreibens gemachte Zu-
sage haben die Richter des Appelhofes zuwidergehandelt. Sie trifft daher
die volle Verantwortung für den infolge ihrer Haltung eingetretenen Still-
stand der Rechtspflege.
15. Febr. (Havre.) Kundgebung der Regierung.
Der belg. Ministerrat nimmt einstimmig folgende Erklärung an:
Indem die Regierung des Königs von den ergreifenden Protesten der in
dem besetzten Belgien zurückgebliebenen flämischen und wallonischen Abg.