Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Niederlande. (Sept. 28. Okt. 8.) 373 
rechtlichen wie nach seiner privatrechtlichen Seite hin in Angriff genommen 
werden. Die Durchführung der Arbeiten des Reichswasserbauamtes, darunter 
die Trockenlegung der Zuidersee, wird mit Energie fortgeführt und unter- 
nommen werden. Der Entwurf des indischen Staatshaushaltes, der Ihnen 
vorgelegt wird, ist in diesem Jahre zum ersten Mal in Indien in öffent- 
licher Verhandlung vorbereitet worden. Zum Schlusse führt die Thronrede 
legislative Ausgaben an. 
Der Voranschlag des Staatshaushalts 1919 beläuft sich auf 456 
Mill. Gulden. Die Ausgaben waren seit 1914 von 84 auf 209, 252 und 
348 Mill. gestiegen. Von den 456 Mill. sind 37 Mill. noch ungedeckt. Der 
Schwerpunkt der Finanzgebarung liegt in den Ausgaben für die andauernde 
Mobilmachung und die Lebensmittelversorgung. Letztere verursacht den Fehl- 
betrag. Der niederl. Staat hat sich zum großen Teil mit Anleihen durch- 
geholfen, es sind jedoch auch beträchtliche Steuererhöhungen eingetreten und 
nach der Thronrede noch zu erwarten. 
. Sept. Haag als Verhandlungsort. 
Das Haager „Korr.-Bur.“ meldet amtlich: Der zeitweilige Geschäfts- 
träger von Oesterreich-Ungarn hat am 25. d. M. im Auftrage seiner Re- 
gierung dem Minister für Ausw. Angelegenheiten mitgeteilt, daß Oesterreich- 
Ungarn es mit Anerkennung sehen würde, wenn die Residenzstadt J. Maj. 
der Königin für die Abhaltung von Verhandlungen, wie sie in der von der 
k. und k. Regierung an alle kriegführenden Regierungen gerichteten Note 
v. 14. Sept. (s. S. 54 ff.) vorgeschlagen wurden, zur Verfügung gestellt würde. 
Auf diesen Schritt hat der Minister des Aeußern dem k. und k. Ge- 
schäftsträger folgende Antwort gegeben: Die niederl. Regierung hat sich beie 
der Handhabung der Neutralität nicht nur durch Erwägungen, die aus- 
schließlich auf die eigenen Interessen des Landes gerichtet waren, leiten 
lassen, sondern es war ihr von Beginn an daran gelegen, ihre neutrale 
Haltung der Gastfreundschaft gegenüber den Kriegführenden dienstbar zu 
machen. In Uebereinstimmung mit dieser durch die niederl. Regierung be- 
folgten Haltung ist es ihr angenehm, zu erklären, daß J. Maj. die Königin 
sich jederzeit glücklich schätzen werde, die Gastfreundschaft ihrer Residenz 
für Zusammenkünfte zur Verfügung zu stellen, die beide kriegführenden 
Gruppen dort abzuhalten wünschen würden. Die Regierung hat, da sie 
der Ansicht war, daß sie die Regierungen der anderen kriegführenden Länder 
von dem durch Oesterreich-Ungarn gemachten Schritt und der darauf er- 
teilten Antwort nicht in Unkenntnis lassen könne, den niederl. diplom. Ver- 
tretern in diesen Ländern telegraphisch den Austrag erteilt, den betreffenden 
Regierungen von beidem Mitteilung zu machen. 
8. Okt. Militär. Vorsichtsmaßregeln. 
Die „Niederl. Tel.-Ag.“ veröffentlicht folgenden amtlichen Text der 
Erklärung des Vorsitzenden des Ministerrats Ruys de Beerenbrouck, 
in der Zweiten Kammer über die Urlaube: Die Kriegslage in dem an 
Seeländisch-Flandern grenzenden westlichen Teile Belgiens macht es not- 
wendig, daß die Regierung auf die Möglichkeiten, die dadurch für unser 
Land futstehen können, Rücksicht nimmt. Wenn fremde Truppenteile eines 
der beiden Kriegführenden oder beider unsere Grenzen überschreiten sollten, 
so erlegt uns das Völkerrecht die Pflicht auf, sie zu internieren. Auch be- 
steht die Möglichkeit, daß wieder eine Anzel Fiüchtlinge bei uns Gast- 
freundschaft suchen wird, in welchem Fauc die Behörden in der Lage sein 
müssen, die nötigen Maßregeln zu treffen. Die Regierung hat sich deshalb, 
um über genügende Truppen zu verfügen, genötigt gesehen, die allgemeinen 
(methodischen) Urlaube und die besonderen Urlaube von kurzer Dauer für
	        
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