376 Hiederlaude. (Nov. 20. 26.)
schließung appelliert an die organisierte Arbeiterklasse der Ententeländer,
die Friedensbedingungen derart zu beeinflussen, daß die große Aufgabe,
die die deutsche Revolution nicht allein im Interesse des deutschen Volkes,
sondern aller Völker zu erfüllen hat, nicht durch eine Lähmung des Wirt-
schaftslebens und eine hungernde Bevölkerung gehindert werde. Es wird
dann für Holland eine Reihe von Forderungen aufgestellt, darunter: All-
gemeines Frauenstimmrecht, Abschaffung der Ersten Kammer, Sozialisierung
aller Betriebe, die sich dafür eignen, Beseitigung des Streikgesetzes von 1903,
Einführung von Staatsrenten vom 60. Lebensjahre an, Annahme der inter-
nationalen Forderungen der Gewerkschaften auf dem Gebiet der sozialen
Gesetzgebung (Berner Programm), sofortige Einführung des gesetzlichen
Achtstundentags.
Der Kongreß beschließt die Ernennung eines Aktionskomitees, das
beauftragt wird, sich zur Bewilligung der Forderungen dieses Programms
an die Regierung zu wenden und im Lande eine solche Agitation zu ent-
wickeln, daß das Programm, getragen von dem einträchtigen und unbeug-
samen Willen des niederländischen Proletariats, unabweislich wird, und dazu
jede Form der Demonstration, auch die der allgemeinen Arbeitseinstellung, zu
benützen. In der Debatte bespricht Vliegen die Ereignisse der letzten Woche
und sagt: Gegenüber revolutionären Plänen ist die Regierung gewappnet.
Revolutionäre Pläne haben im Augenblick keine Aussicht auf Erfolg. Ohne-
jeden Zweifel wird eine Mehrheit im Lande gegen eine Revolution Wider-
stand leisten. Andererseits wird allgemein anerkannt, daß tiefgehende Re-
formen kommen müssen. Wir sind Republikaner, aber eine außerordentliche
Bedeutung hat dieser Punkt in unserem Lande nicht. Die Frage würde
dringend werden, wenn das Königtum den Forschritt hindert.
Am 17. nimmt der Kongreß die Entschließung durch Zuruf an, sowie-
die weitere Forderung, daß die Entscheidung über Krieg und Frieden bei
der Volksvertretung liegen müsse. Der Vorsitzende der Leitung der soz.
Arbeiterpartei stellt fest, daß der Kongreß einstimmig beschlossen hat, von
revolutionären Plänen abzusehen, und daß diejenigen, die in den letzten
Wochen solche Pläne hegten, sie ebenfalls aufgegeben haben.
20. Nov. (Zweite Kammer.) Gastrecht für Kaiser Wilhelm.
Ministerpräsident Ruys de Beerenbrouck erklärt, der Deutsche Kaiser
sei als Privatperson nach Holland gekommen und betrachte sich als solche.
Die ihm gewährte Gastfreundschaft beruhe auf den besten Ueberlieferungen
des holländ. Volkes. Die Regierung werde aber genau darauf achten, daß
von der Gastfreundschaft kein Gebrauch gemacht werde, der gegen die Inter-
essen des Landes wäre. Die Regierung habe Ursache, darauf zu rechnen,
daß das nicht geschehen werde und daß auch der Exkaiser und seine Um-
gebung dies im eigenen Interesse richtig verstehen werden.
Am 30. teilt das Haager „Korr.-Bür.“ mit, daß die holländ. Re-
gierung eine Kommission eingesetzt hat, die aus den Herren W. E. J.
Ledaer, Professor A. E. H. Struycken und A. E. Bles besteht und die über
die Stellung, die der frühere Kaiser von Deutschland in Holland einnimmt,
Bericht erstatten soll. Die Kommission wird die Stellungnahme der holländ.
Regierung zu den Rechtsfragen zu prüfen haben, die sich aus der Zulassung.
und dem Verbleiben des früheren deutschen Kaisers in Holland ergeben.
26. Nov. Durchzug deutscher Truppen durch Holland.
Die holländ. Regierung veröffentlicht eine amtliche Meldung über-
den Durchzug deutscher Truppen durch Holländisch--Limburg und die Durch-
fahrt durch holländ. Gewässer von aus Antwerpen kommenden deutschen.
Torpedobooten. Darin heißt es: Die Bedingungen des Waffenstillstandes.