Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

390 Schweden. (Dez. 7. 19.) 
Verhältnisse der inneren und äußeren Politik in der Arbeit zur Lösung 
dieser Aufgaben zu unterstützen. 
Am gleichen Tag fordert eine Konferenz der schwed. Mehrheits- 
soz. die Ausdehnung der allgemeinen Wahlrechte auf alle Bürger vom 
21. Lebensjahr ohne Geschlechtsunterschied, ferner die Einführung des Acht- 
stundentages und andere soziale Forderungen. Ueber die Staatsform soll 
ein Referendum entscheiden. In Begründung der Entschließung führt der 
Führer der Partei Branting aus: Wir wollen auf dem Wege der 
Demokratie verharren und nicht den Weg der Diktatur beschreiten. Wir 
wollen die Abschaffung der Oberkammer und die Einführung der Republik, 
wenn wir uns vergewissert haben, daß die Mehrheit des schwed. Volkes 
hinter uns steht. 
Die Linkssozialisten lehnen die von der Regierung angekündigten 
Reformen als ungenügend ab. 
Als Rückwirkung der deutschen Revolution entstand in Schweden eine 
starke demokratische Bewegung, die die Regierung und die bürgerlichen 
Parteien zu weitgehenden Zugeständnissen bereit machte und von den 
Mehrheitssoz. geschickt zur Durchführung ihrer Verfassungsreformwünsche aus- 
genutzt wurde. 
7. Dez. Diplomatischer Bruch mit Sowjetrußland. 
Das „Schwed. Tel.-Bur.“ meldet amtlich: Im Hinblick auf die in 
Rußland herrschenden Ernährungsschwierigkeiten und die unsicheren Ver- 
hältnisse, die wiederholt zu Grenzabsperrungen Anlaß gegeben haben, hat 
es sich als notwendig erwiesen, die in Rußland weilenden Schweden zur 
Heimkehr aufzufordern und die schwed. Vertretung daselbst auf ein Mindest- 
maß einzuschränken. Die Beamten der schwed. Gesandtschaft in St. Peters- 
burg und das Generalkonsulat in Moskau haben jetzt Rußland verlassen, 
nur zwei Beamte der Gesandtschaft sind zurückgeblieben. Nachdem nunmehr 
festgestellt ist, daß die Sowjetregierung das ihren Vertretern zustehende 
Recht, Kuriere abzusenden, mißbraucht hat, indem bolschewikische Propaganda- 
literatur in mehreren Sprachen, für die Verbreitung in verschiedenen Län- 
dern bestimmt, befördert wurde, hat der Minister des Aeußern heute dem 
hiesigen Vertreter der Sowjetregierung mitgeteilt, er könne sich nicht weiter 
der diplomatischen Privilegien, d. h. des Rechtes, Kuriere und Staatstele- 
gramme zu empfangen und abzusenden, bedienen. In Zusammenhang damit 
erklärte der Minister des Aeußern, er setze voraus, daß die Vertreter der 
Sowjetregierung das Land verlassen werden. Als Bedingung ihrer freien 
Abreise wird selbstverständlich das freie Recht der in Rußland weilenden 
schwed. Staatsangehörigen zur Heimkehr gefordert. 
19. Dez. (Reichstag.) Beide Kammern nehmen die Verfassungs- 
reformen nach dem Kompromißvorschlag an. 
Die zwischen dem Wahlrechtsausschuß des Reichstags und der Re- 
gierung geführten Verhandlungen über die Einführung eines allgemeinen 
gleichen und geheimen Wahlrechts in Schweden haben zu einem Kompromiß 
geführt, demzufolge zu den politischen Körperschaften alle Personen über 
23 Jahren, zu den Gemeindevertretungen die über 24 Jahre und zu den 
Kreistagen (Landtagen) alle über 27 Jahre alten Personen wählen. Land- 
tage und Gemeindevertretungen der größeren Städte wählen die Erste 
Kammer und zwar auf die Dauer von acht Jahren. Die Zweite Kammer 
wird vom Volke direkt gewählt, ihre Tagungsdauer beträgt vier Jahre. 
Dieses Kompromiß sieht also eine beträchtliche Erweiterung des Wahlrechts 
für die Gemeindevertretungen und Provinzlandtage und damit für die
	        
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