Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

FKinnland. (Juli 17. - Aug. 9.) 399 
Abordnung des Landtags mitteilt, bei abschlägiger Entscheidung des Land- 
tags die Verantwortung ablehnen. 
17. Juli. (Landtag.) Vertagung der Verfassungsvorlage, 
Heeresvorlage, Kredit. 
Zu Beginn der Sitzung teilt der Präsident mit, daß die Regierungs- 
vorlage über die Einführung der Monarchie, die zur Beratung (s. o.) 
stehen sollte, von der Tagesordnung abgesetzt wurde. Zwei schwed. Land- 
tagsmitglieder erheben dagegen Einspruch. Der Landtag nimmt darauf die 
Regierungsvorlage an, wodurch die Ordnung im Lande wiederhergestellt 
und die Regierung ermächtigt wird, ein so großes stehendes Heer zu halten, 
wie die Zustände im Lande dies erfordern. Außerdem wird die Regierung 
ermächtigt, 120 Mill. M. zur Durchführung einer Reihe anderer Maßnahmen 
auf längere Frist anzuwenden. 
18. Juli. (Landtag.) Die Friedensverträge mit Österreich- 
Ungarn, der Türkei und Bulgarien werden genehmigt. 
Ferner nimmt der Landtag die Gesetzesvorlage über die Einkommen- 
steuer, die jährlich etwa 130 Mill. einbringen soll, und über die Ein- 
führung der allgemeinen Arbeitspflicht für Männer und Frauen im 
Alter von 18 bis 56 Jahren an. 
31. Juli. Vertrag mit der Sowjetrepublik (s. Rußl.). 
3. Aug. Eröffnung der finn.-russ. Friedensverhandlungen in 
Berlin. (Näh. f. Tl. 1 S. 249 f.) 
Am 28. (s. Tl. 1 S. 265 f.) werden die Verhandlungen ohne Ergebnis 
auf unbestimmte Zeit vertagt. 
9. Aug. (Landtag.) Beschluß der Königswahl. 
Zunächst wird (am 7.) bei der dritten Lesung der Verfassungs- 
vorlage die von der Regierung beantragte Dringlichkeit der Vorlage mit 
75 gegen 38 Stimmen abgelehnt; die erforderliche Fünfsechstelmehrheit wird 
also nicht erzielt. Die Regierungsvorlage ist damit für diese Landtagssession 
erledigt. 
Darauf bringen (am 8.) die Altfinnen und die Schwed. Volksp. einen 
Antrag ein, der die Königswahl auf Grund des 8 38 der noch geltenden 
Verfassung von 1772 fordert. Dieser Antrag, für den nur die einfache 
Mehrheit erforderlich ist, wird mit 64 gegen 40 Stimmen an den Ver- 
fassungsausschuß verwiesen, der ihn (am 9.) mit 9 gegen 8 Stimmen annimmt. 
In der Abendsitzung des 9. wird sodann ein Antrag der Republ., diesen 
monarchistischen Antrag schlechthin zu verwerfen, mit 68 gegen 33 Stimmen 
abgelehnt; dies bedeutet eine Zweidrittelmehrheit für die Sache der Mo- 
narchie. Der monarchistische Antrag auf sofortige Anwendung des § 38 
siegt endlich mit 58 Stimmen gegen 44, die einem Kompromiß zufallen, 
das die Einbringung einer neuen Verfassungsvorlage fordert. « 
In der Debatte hebt der Altfinne Senator Ingmann hervor, daß 
der Landtag, nachdem die Regierungsvorlage gefallen sei, nach dem Gesetz 
auf Grund des § 38 verpflichtet sei, zur Königswahl zu schreiten. Von 
Staatsstreich könne nicht die Rede sein, da Finnland im Dez. 1917 keine 
republ. Staatsform erhalten habe. Vom ungesetzlichen Wege kehre jetzt der 
Landtag zur Gesetzlichkeit zurück. — Der Agrarier Wuorimaa erklärt, die 
Volksstimmung sei jetzt ungefährlich, da die Sozialisten aufgerieben seien; 
er verlange eine neue Regierungsvorlage. — Der Führer der Jungfinnen 
Prof. Stahlberg verlangt Volksabstimmung. — Der Schwedenführer Baron
	        
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