Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

402 Einnland. (Okt. 9.) 
Kandidatur eines deutschen Prinzen sei für die Demokratie ein Schlag ins 
Gesicht, so möge man sich vergegenwärtigen, daß Deutschland augenblicklich 
durch einen deutschen Prinzen repräsentiert wird. — Abg. Paasikivi (Soz.) 
erhebt dagegen Einspruch, daß das augenblickliche Rumpfparlament die 
größten Fragen des Landes entscheide. 
Bei der Abstimmung über die Frage der Dringlichkeit der Vorlage 
werden 74 Stimmen dafür und 34 dagegen abgegeben. Da die erforder- 
liche 3/6-Mehrheit somit nicht erreicht wurde, ist die Vorlage für die gegen- 
wärtige Landtagssitzung als gefallen zu betrachten. (Bei der zweiten Lesung 
(am 5.) wurde die Vorlage mit 66 gegen 34 Stimmen angenommen.) Durch 
Akklamation wird beschlossen, daß der Entwurf bis zum nächsten, aus Neu- 
wahlen hervorgegangenen Landtage ruhen soll. Ein Antrag Wudrinaas auf 
Vornahme der Neuwahl des Landtags vor der Königswahl wird mit 58 
gegen 39 Stimmen abgelehnt. 
Vor Beendigung der Sitzung wird dem Landtag ein Schreiben der 
Regierung vorgelegt, worin diese über ihre Maßnahmen, die sie zur Vor- 
bereitung der Königswahl auf Grund des § 38 der Verfassung von 1772 
getroffen hat, Rechenschaft ablegt und mitteilt, daß die mit Prinz Friedrich 
Karl von Hessen geführten Verhandlungen zu günstigem Ergebnis geführt 
haben. 
9. Okt. (Landtag.) Prinz Friedrich Karl von Hessen zum König 
gewählt. 
In einer geheimen Vollsitzung des Landtags wird mit 64 Stimmen 
gegen 41 bei drei Enthaltungen beschlossen, auf Grund des § 38 der Ver- 
fassung von 1772 zur Wahl zu schreiten. Bei wiederhergestellter Oeffent- 
lichkeit wird im Wege der Akklamation Prinz Friedrich Karl von Hessen 
zum König von Finnland gewählt und gleichzeitig die Thronfolge seiner 
Nachkommenschaft festgesetzt. Die Agrarier, deren Führer Alkio noch kurz 
vor dem Wahlakt namens seiner Parteigenossen einen Einspruch verlesen 
hat, sowie einige wenige sonstige Republikaner bekunden durch Sitzenbleiben 
ihre Enthaltung von der Wahl. Das Landtagspräsidium erhält den Auftrag, 
die Maßnahmen zu ergreifen, die sich als eine Folge des Landtags- 
beschlusses ergeben. 
Am 10. stellt der Landtag den feierlichen Wahlakt fest. Der Akt lautet: 
Finnlands Landtag, zu einer außerordentlichen Tagung versammelt, gibt 
bekannt: Da Finnland ein selbständiges Reich geworden ist und es gemäß 
§ 38 der Regierungsform v. 21. Aug. 1772 dem Landtag obliegt, ein Königs- 
haus für Finnland zu wählen, hat der Landtag am 9. Okt. 1918 S. Hoheit 
Prinz Friedrich Karl von Hessen zum König von Finnland gewählt, daß 
er Finnland nach dessen Verfassung und Gesetzen regiere. Der Landtag 
verleiht zugleich den Nachkommen S. Maj. das Recht, den königlichen 
Thron nach S. Maj. in der Ordnung einzunehmen, wie sie das künftig zu 
gebende Thronfolgegesetz feststellt. Wie Finnlands Landtag dies alles be- 
schlossen hat, so bekräftigen wir Sprecher des Landtages mit unserer eigenen 
Namensunterschrift diesen Akt. Geschehen Helsingfors, den 9. Okt. 1918. 
Hierauf wird die außerordentliche Tagung des Landtages geschlossen. 
Selbst in aktivistischen finnischen Kreisen, den Trägern des monarchi- 
schen Gedankens, ist man über den Ausgang der Königswahl so enttäuscht, 
daß man die überraschend geringe Mehrheit als ein Hindernis für den 
Prinzen Friedrich Karl von Hessen ansieht, einstweilen den Thron zu be- 
steigen. Man bedauert tief, daß der uralte Fehler Finnlands Politiker selbst 
in den wichtigsten Stunden hinderte, den innern Hader über die Wohlfahrt 
des Vaterlandes zu stellen. Nicht nur sämtliche Agrarier, sondern auch
	        
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