414 Rußland. (Jan. 30. Febr. 1.)
die Vertreter der russ. Regierung davon zur selben Zeit in Kenntnis setzen,
wie dieser Beschluß der deutschen Regierung übermittelt wird. (Den voll-
ständigen Wortlaut der Kundgebung s. in der „Köln. Ztg.“ v. 31. Jan. 1918.)
Zu dieser Kundgebung versendet das Stockholmer estnische Informations-
büro am 3. Febr. eine Pressenotiz des Inhalts, daß die Ritterschaft in Estland
und Livland durch Verzicht auf die alten Vorrechte nach der Märzrevolution
1917 ausgehört habe, die verfassungsmäßige Vertretung des Landes darzu-
stellen. Die Schritte der Ritterschaft bei der deutschen und der russ. Regierung
seien daher eine Herausforderung und ein Vergehen gegen die Interessen
des Landes. Man beabsichtige namens des estnischen Landtages, der die
höchste Macht in Estland übernommen habe, Schritte bei den Stockh. diplo-
matischen Vertretern sowie den zuständigen deutschen Behörden und werde
gegen die Mitglieder der obigen Abordnungen bei dem estnischen revolutio-
nären Kriegsgericht Anklage erheben.
30. Jan. Desorganisation der Front.
Das „WTB.“" meldet: Die russische Presse veröffentlicht folgendes Tele-
gramm des Generals Bentsch Bruyewitsch, des Stabschefs des Ober-
kommandos: Vollkommene Machtlosigkeit. Viele Frontteile sind entblößt.
Auf der Westfront kommen auf die Werst nur 160 Bajonette. Die Reserven
lösen ihre Kameraden in den Schützengräben nicht ab. Eine ungeheure Zahl
erfahrener militärischer Vorgesetzter ist bei den Wahlen ausgeschieden. Der
jetzige Bestand an Stäben ist ohne Erfahrung. Der Stab und die Behörden
werden in Kürze zu arbeiten aufhören, da niemand mehr arbeiten kann.
Generalstabsoffiziere sind nicht vorhanden. Die Arbeitsbedingungen in den
Stäben sind entsetzlich. Wirtschaftlich herrscht eine vollkommene Auflösung.
Ausbildung und Ordnung der Truppen sind nichts wert. Eine Ordnung
im Heere gibt es nicht mehr. Die Befehle werden nicht ausgeführt. De-
sertionen finden massenhaft statt. Beurlaubte kehren nicht zurück. Der Zu-
sammenhang ist an vielen Stellen zerrissen. Der Bestand an Pferden ist
fast ganz vernichtet. Die Befestigungen der Stellungen zerfallen. Die Draht-
hindernisse sind zur Erleichterung der Verbrüderung und des Handels ent-
fernt. Einen Angriff des Feindes auszuhalten ist unmöglich. Die einzige
Rettung des Heeres ist der Rückzug hinter die natürlichen Grenzen.
1. Febr. Schaffung einer „Roten Armee“.
Die „Petersb. Tel-Ag.“ meldet: Der Rat der Volkskommissare beschloß
die Schaffung einer Roten Armee, die als ein Bollwerk der Macht der Sowjets
dienen und im gegebenen Augenblick eine sichere Grundlage für die Ersetzung
der regulären Armee bilden soll. Die Ausnahme in ihre Reihen steht allen
Bürgern der russ. Republik frei, die das 18. Lebensjahr erreicht haben. Behufs
Einreihung in die Rote Armee muß eine Empfehlung der Armeekomitees
oder demokratischer Organisationen, welche die Grundsätze der Sowjets an-
erkennen, professioneller oder politischer Organisationen oder mindestens seitens
zweier Mitglieder solcher Vereinigungen vorgewiesen werden. Die Soldaten
der Roten Arbeiter- und Bauernarmee werden vollständig vom Staate unter-
halten werden und außerdem 50 Rubel beziehen.
1. Febr. Kriegserklärung der poln. Legionen.
Die „Petersb. Tel.-Ag.“ meldet, daß die 25.000 Mann starken, von
Generalen befehligten poln. Legionen den Kriegszustand mit den Bolschewiki
erklärt haben. Am 2. meldet ein Funkspruch aus Kiew, daß Mohilew,
der Standort der russ. Obersten Heeresleitung, durch die Polen besetzt wurde.
Am 4. wird die Einnahme von Minsk gemeldet.