Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Rußland. (April 2.—5.) 423 
ziehung untersteht die nationale Armee der Zentralgewalt der Sowjets und 
den örtlichen Sowjets. Die Republik der Sowjets muß eine Armee haben, 
die zu kämpfen und zu siegen weiß. Im Namen der sozialen Republik 
fordert der Rat der Volksbeauftragten die Sowjets, die gewissenhaften 
Arbeiter und Bauern und die ehrenhaften Arbeiter-Bürger auf#, ihre Kräfte 
in der Arbeit, unser Land zu befreien und unabhängig zu machen, zu ver- 
vielfältigen. Ein befreites Rußland wird kein Sklave sein. Es wird wachsen, 
seine Kräfte wiederfinden, die Räuber besiegen und in brüderlicher Einig- 
keit mit den freien Völkern aller Länder leben. Arbeit, Ordnung, Disziplin, 
Ausdauer, Hingebung, und wir werden siegen! (S. auch 30. April.) 
2. April. Der Hauptvollzugsausschuß der Sopjets beschließt 
die Einsetzung eines Verfassungsausschusses. 
4. April. Einleitung russ.-ukr. Friedensverhandlungen. 
Die „Petersb. Tel.-Ag.“ meldet: Der Ausschuß für Ausw. Angelegen- 
heiten hat am 3. April dem Ministerrate der ukr. Volksrepublik in Kiew 
folgende Note übermittelt: In Beantwortung des Funkspruches v. 2. April, 
der den Vorschlag des Ministerrates der Volksrepublik enthält, Friedens- 
verhandlungen einzuleiten, schlägt die Regierung der russ. Republik, da sie 
durch das Ultimatum vom 21. Febr. und durch den Vertrag von Brest- 
Litowsk gezwungen ist, einen Friedensvertrag mit dem Ministerrate der 
Ukr. Volksrepublik zu schließen, als Verhandlungsort die Stadt Smolensk 
vor. Wir bringen für den Beginn der Verhandlungen den 6. April d. J. 
in Vorschlag. Was den angeblich zwischen den feindlichen Völkern geführten 
Krieg betrifft, so lehnt das Kommissariat für die Ausw. Angelegenheiten 
der Sowjetrepublik nachdrücklich diese Bezeichnung des blutigen Kampfes, der 
sich in der Ukraine entwickelte, ab. Die Sowietregierung in Rußland führt 
nicht Krieg gegen die Volksrepublik der Ukraine. Der gegenwärtige Kampf 
spielt sich zwischen zwei Parteien des ukr. Volkes ab, und es kann sich nur 
um die warmen Sympathien handeln, welche die arbeitenden Massen Ruß- 
lands in diesen tragischen Tagen — und tragisch nicht für das ukr. Volk 
allein — den Arbeitern und Bauern der Ukraine entgegenbringen. Das 
Volkskommissariat für die Ausw. Angelegenheiten: Tschitscherin. 
Am 17. April erklärt sich der Volksministerrat der Ukr. Volks- 
republik bereit, den Vorschlag des russ. Volkskommissariats anzunehmen. 
Die Friedensverhandlungen sollen in Kursk stattfinden. Infolge des Sturzes 
der ukr. Rada verzögert sich der Beginn der Verhandlungen, die erst am 
23. Mai in Kiew (s. Ukr.) ihren Anfang nehmen. 
4. April. Petersburg — nicht mehr Petrograd. 
Die „Köln. Ztg.“ meldet aus Amsterdam: Der Petersb. Berichterstatter 
der „Daily Mail“ berichtet, daß die Sowjetregierung beschlossen habe, die 
Stadt Petersburg wieder mit diesem ihrem alten Namen zu bezeichnen, da 
die Aenderung in Petrograd auf Einflüsse zurückzuführen sei, mit denen 
die Republik nichts zu tun habe. 
5. April. Zurückziehung der russ. Schiffe aus Finnland. 
Das deutsche Ausw. Amt richtet an das russ. Kommissariat der Ausw. 
Angelegenheiten einen Funkspruch, worin es im Einvernehmen mit der 
finnländischen Regierung der russ. Regierung vorschlägt, gemäß Art. 5 des 
Brest-Litowsker Friedensvertrages die Entwaffnung oder Zurückziehung der 
außerhalb der russ. Häsen im Baltischen Meer befindlichen Kriegsschiffe in 
Angriff zu nehmen. Die Entwaffnung müsse bis zum 12. April mittags 
beendet sein. Andernfalls behalte die deutsche Regierung sich das Recht vor,
	        
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