Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Die Aerreichisch-ungerisse Monarchie und die Mucfelgestasten. (Juli 16. 18.) 43 
seien, die die Gefahr künftiger Konflikte in dem Lande hervorrufen könne. 
Die österr.-poln. Lösung berge eine solche Gefahr in sich. Die Soz. seien 
für Einberufung eines pvoln. demokr. Parlaments. E. vertritt die Notwendig- 
keit der Umwandlung Oesterreichs in einen Bundesstaat freier Nationen. 
Die Soz. würden gegen das Budget stimmen. 
Am 17. führt der Obmann des Polenklubs, Tertil, aus, die gestrige 
Rede des Ministerpräsidenten sei vom Standpunkte aller Parteien zu be- 
dauern. Ebensowenig wie gegen die Deutschen lasse sich auch gegen die 
Polen und die anderen Völker regieren. In Besprechung der österr.-poln. 
Lösung erklärt er: Die Worte des Ministers des Aeußern erledigen zwar 
unsere Sache nicht, sie berühren sie sehr behutsam, aber sie sind doch als 
ein erster Anfang nach dem, was unter dem Grafen Czernin geschehen ist, 
geeignet, die Hoffnung zu begründen und das Vertrauen anzubahnen. Die 
geplante Zweiteilung Galiziens werde nie zustande kommen. Die Polen 
seien bereit, mit den Ukrainern von Volk zu Volk zu verhandeln, aber nur 
auf Grund der Einheit des Landes. Der Redner erklärt schließlich namens 
des Polenklubs, daß er die Abstimmung über das Budgetprovisorium vom 
Vertrauen zu jener Regierung abhängig machen werde, die zur Zeit der 
Abstimmung bestehe. — Abg. Conci (Ital.) bekundet seine Sympathien für 
Tschechen und Südflawen und erklärt, gegen das Budgetprovisorium stimmen 
zu wollen. — Abg. Daszynski (Poln. Soz.) beklagt die Abhängigkeit der 
äußeren und inneren Politik Oesterreichs von Deutschland, kritisiert schärf- 
stens das Walten einer parlamentsfeindlichen Bürokratie und wendet sich 
gegen den Brester Frieden, der nur den Anfang neuer Wirren im ganzen 
Osten Europas bedeute. Von einer austropoln. Lösung sei überhaupt nicht 
mehr die Rede, die Polen weinten ihr keine Träne nach. Welche Form der 
poln. Staat annehmen werde, werde der Wille des poln. Volkes und die Ge- 
schichte entscheiden. 
Am 19. wird das Budgetprovisorium nach Beendigung der ersten 
Lesung dem Budgetausschusse zugewiesen, dem eine Frist bis zum 23. d. M. 
zur Berichterstattung gesetzt wird. 
Das Budgetprovisorium ist auf die Dauer von sechs Monaten auf- 
gebaut. Sein Inhalt deckt sich mit dem letzten, derzeit geltenden Budget- 
provisorium. Ausgehend von dem wahrscheinlichen Kreditbedarf der nächsten 
sechs Monate, spricht die Regierung die Ermächtigung an, die Mittel für 
die durch den Krieg verursachten außerordentlichen Ausgaben durch Kredit- 
operationen bis zum Betrage von 12 Milliarden Kr. zu beschaffen. Da für 
das Verwaltungsjahr 1917 18 ein Finanzgesetz nicht zustande kam, muß 
nachträglich die rechtliche Grundlage für den Rechnungsabschluß dieses Ver- 
waltungsjahres geschaffen werden. Diesem Zwecke wird eine durch Verord- 
nung des Gesamtministeriums zu erlassende Aufstellung der Staatsaufgaben 
und Staatseinnahmen dienen, die sich auf dem Entwurf des Staatsvoran- 
schlages samt den Nachträgen dieses Verwaltungsjahres aufbauen soll. 
16.18. Juli. (Osterr. Herrenhaus.) Wiederbeginn der Sitzungen, 
Regierungserklärung, Ministerium für Volksgesundheit. 
Zu Beginn der Sitzung gibt Ministerpräsident Dr. v. Seidler eine 
mit seiner Rede im Abg.-Hause (s. S. 41 f.) inhaltlich sich deckende Er- 
klärung ab. 
Bei der Erörterung dieser Erklärung (am 18.) hält der ehem. Minister 
des Aeußern Graf Czernin eine vielbemerkte Rede, in der er ausführt: 
Wenn der Ministerpräsident den Weg, den er angezeigt hat, wirklich geht, ist 
kein Zweifel, daß wir uns unbedingt hinter ihn stellen werden. Unsere 
Politik krankt an dem Gebrechen des Systems, daß wir einen anderen Kurs
	        
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