Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

466 Kußland. (Sept. 14. 15.) 
14. Sept. Wechsel des Justizkommissars. 
Nach der Zeitung „Mir“ ist der Justizkommissar wegen Meinungs- 
verschiedenheiten mit dem Vorsitzenden des Obersten Revolutionstribunals, 
Krylenko, über die von diesem getroffenen Maßnahmen zur Durchführung 
des roten Terrors von seinem Posten zurückgetreten. Zu seinem Nachfolger 
wurde Kurki (oder Kurbski) ernannt. - 
14. Sept. (Ufa.) Staatskonferenz, Direktorium. 
„Daily Mail“ (v. 16.) erfährt aus Wladiwostok v. 14. Sept., daß das 
erste, direkte Telegramm aus Ufa heute eingetroffen ist. In diesem teilte der 
frühere Minister im Kabinett Kerenski Awksentiew dem alliierten Befehls- 
haber mit, daß die Kosakenführer aus den Distrikten Schuisk, Astrachan, 
Orenburg, Semirjetschensk mit den Tataren in Ufa eine Zusammenkunft 
abgehalten haben. Abgeordnete der gesamt.-russ. Konstituierenden Versamm- 
lung, Vertreter der Städte in Sibirien und im Wolgadistrikt, ebenso wie 
die Regierungen von Ural und Estland waren anwesend. Der Zweck der 
Konferenz war die Bildung einer Regierung für Rußland. 
Am 24. Sept. versendet der Ausschuß in Ufa an sämtliche Vertreter 
Rußlands im Auslande ein Telegramm, worin es heißt: In dem Maße, 
wie die abgelegeneren russ. Provinzen sich von dem Joch des Bolschewikentums 
befreiten, konnte auch die gesetzliche Gewalt wiederhergestellt und vereinigt 
werden. Sie untersteht in Europa unserem Ausschuß, in den asiatischen 
Gebieten der vorläufigen Regierung Sibiriens. Der Ausschuß besteht aus 
den Mitgliedern, die früher in Samara (s. S. 460) zusammengetreten waren, 
außer denen, die zur Partei der Bolschewiken und Soz.-Rev. von der äußersten 
Linken gehören, und von denen angenommen wird, daß sie zurückgetreten 
sind und nicht mehr berechtigt sind, dem Ausschuß anzugehören. Dieser 
umfaßt sämtliche politischen Parteien Rußlands, die dem Verbande treu 
blieben, den Gedanken an einen Sonderfrieden verwerfen und entschlossen 
sind, den Krieg gegen die Bolschewiken und gegen Deutschland fortzusetzen. 
Der Ausschuß hat zum Zweck, die Gründung einer einigen und starken 
Staatsgewalt und betrachtet sich als Nachfolger der Prov. Regierung All- 
rußlands. Er mußte darauf verzichten, durch die diplomatischen Vertreter 
Rußlands die auswärtigen Regierungen rechtzeitig von seiner Gründung 
und dem Gang der Ereignisse in Rußland zu unterrichten. In Ufa tagt die 
Staatskonferenz, gebildet aus allen anwesenden Mitgliedern der Konstituante, 
Vertretern der Provinzialverwaltungen, der sibirischen Regierung, der Soz.- 
Rev., der Soz., der Union für Volksfreiheit und der Gruppe der „Wieder- 
geburt“ (Rußlands). Die souveräne Gewalt übt ein Direktorium aus, das 
der Konstituante verantwortlich ist, deren Einberufung auf den 1. Jan. 1919 
geplant ist, falls 250 Mitglieder zugegen sind. Die Fünf sind General 
Alexejew, Awksentiew, Wologodski, Astrow und Tschaikowski. — Hierzu teilen 
diplomatische russische Kreise noch mit, daß dem Komitee der Konstituante 
auch Vertreter der Ukraine, des Kaukasus und Turkestans angehören, daß 
ferner alle Klassen und Nationalitären vertreten sind, also das ganze „alte 
und unteilbare“ Rußland, das der Verrat der Bolschewiki und der bezahlten 
deutschen Agenten zerstückelt hat. (Gen. Alexejew ist der frühere Oberkom- 
mandierende der russ. Armeen, Awbksentiew gehört zu den Führern der Soz.= 
Rev., Astrow zu den Kadetten, Wologodski ist der Präsident der Westsibir. 
Regierung; über Tschaikowski s. 2. Aug.) 
15. Sept. (Baku.) Die Stadt wird von türk. Truppen besetzt. 
Die engl. Besatzung „ist# vorher abgezogen. 
Gegen dieses Vorgehen der Türkei, das zu den Bestimmungen des
	        
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