Ukraine. (Mai 23.— Juni 12.) 101
Am 2. Mai wird das neue Kabinett in folgender Zusammensetzung
gebildet: Vorsitz, Inneres und (vorläufig) Post= und Telegraphen: Lysogub
(linker Oktobrist, bekannter Semstwomann), Kultus und vorläufig Aeußeres:
Wassilenko (Kad., früh. Lehrer an höh. Schulen in Kiew), Handel und
Industrie: Gutnik (früh. Rechtsanwalt, Vorsitzender des Börsenkomitees in
Odessa), Finanzen: Rschepetzki, Ackerbauminister: Kolokolzow (Land-
wirtschaftsfachmann in Charkow), Arbeit: Wagner (früh. Prof. der Zoologie
an der Kiewer Technischen Hochschule), Verpflegung: Sokolowski (be-
kannter Wirtschaftspolitiker), Volksgesundheit: Dr. Ljubinski (Direktor des
Bakteriologischen Instituts in Kiew), Verkehr: Butenko (früh. Direktor der
Podolischen Eisenbahngesellschaft), Justiz: Tschubinski (Kad., früh. Prof.
an der Petersb. Univ.), Glaubensangelegenheiten: Sienkowski (Kad., Privat-
dozent in Kiew), Krieg: Sliwinski (Chef des Generalstabes), nach einigen
Tagen ersetzt durch General Rogosa, Staatskontrolleur: Afanasiew (früh.
Prof. der Volkswirtschaft an der Kiewer Univ.). Zum Ataman der Feld-
kanzlei des Hetmans wird Ataman Chanienkow ernannt. Am 19. Mai
wird Doroschenko (Soz.-Föderal.) zum Verweser des Ministeriums des
Aeußern ernannt. — Der Grundcharakter des Kabinetts ist agrarisch-
national. Die sozialistischen Parteien haben die Beteiligung an der Re-
gierung abgelehnt.
Am 2. Juni überreichen der deutsche und der österr.-ung. Botschafter
dem Hetman im Auftrage ihrer Regierungen Schreiben, durch die sie die
Regierung des Hetmans anerkennen und in amtlichen Verkehr mit ihr treten
zu wollen erklären.
Der ukr. Gesandte in Berlin A. Sewrjuk wird abberufen und durch
Baron Steinheil, der in der ersten russ. Duma der Kadettenpartei an-
gehörte, ersetzt.
23. Mai. (Kiew.) Beginn der ruff.-ukr. Waffenstillstands= und
Friedensverhandlungen.
Den Vorsitz der russ. Delegation führt Rakowski, den der ukr. Sche-
luchin (Soz.-Föderal.). Die Frage Scheluchins, ob die Ukraine von der
Sowjetregierung als unabhängiger Staat anerkannt werde, wird von russ.
Seite bejaht. Zunächst beginnen Verhandlungen über den Waffenstillstands-
vertrag. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Festsetzung der Demarkations-
linien, für die von russ. Seite die militärische Lage, von ukr. Seite ethno-
graphische Gesichtspunkte als richtunggebend vorgeschlagen werden.
5. Juni. Antwort an Rumänien betr. Beßarabien.
Die Regierung richtet eine Antwortnote an Rumänien auf die
rumän. Note v. 15. Mai (s. Rum.). Die Ukraine besteht darauf, daß das
Moldauparlament zur Abstimmung über die Angliederung Beßarabiens
von der Bevölkerung nicht bevollmächtigt gewesen sei und daß die beßarab.
Bevölkerung die Vereinigung mit der Ukraine anstrebe, mit der sie historisch
und wirtschaftlich eng verbunden sei.
8. Juni. Agrargesetz.
In der Ministerratssitzung wird die Fassung des neuen vorläufigen
Agrargesetzes genehmigt. Der private Landerwerb wird grundsätzlich auf
25 Desjatinen beschränkt; eine Zwangsenteignung des Großgrundbesitzes ist
jedoch nicht vorgesehen. Die Staatsagrarbank wird ohne Beschränkung
Ländereien ankaufen zwecks Verkaufs an die Bauern in Parzellen zu
25 Desjatinen.
12. Juni. Der Minister des Aeußern überreicht dem deutschen