46 BVie ##erreihistt-ungerist Monarchie und die Nachsolze asten. (Juli 22.—25.)
folgendes Handschreiben: Lieber Dr. Ritter von Seidler! Sie haben unter
Berufung auf die Gestaltung der parlamentarischen Lage Mir die Bitte
um Enthebung vom Amte unterbreitet, welcher Bitte sich die übrigen Mit-
glieder des Kabineits anschlossen. Zur Begründung dieses Ansuchens haben
Sie darauf hingewiesen, daß Sie sich für Jhre Bemühungen, im Abgeordneten-
hause eine Mehrheit für die Staatsnotwendigkeiten zu sichern, keinen Er-
folg mehr versprechen, daß aber die Hindernisse lediglich in Ihrer Person
und in Ihrem Verhältnisse zu einer politischen Partei gelegen sind, die
gegenüber den Staatsnotwendigkeiten keine ablehnende Haltung einnimmt.
vielmehr bereit wäre, eine andere, die nämliche allgemeine Richtung ver-
folgende Regierung zu unterstützen. Unter diesen Umständen erblicken Sie
selbst in Ihrem Rücktritte die Vorbedingung für eine befriedigende Klärung
der parlamentarischen Situation. So schwer es Mir fällt, auf Ihre fernere
Tätigkeit an der von Ihnen unter den schwierigsten Verhältnissen zu Meiner
vollsten Zufriedenheit versehenen Stelle zu verzichten, vermag Ich Mich
doch Ihren patriotischen Erwägungen nicht zu verschließen. Von der Ab-
sicht geleitet, die von Ihnen verfolgte Richtung unter Wahrung des ver-
trauensvollen Verhältnisses zu jenen Gruppen, die für die Bedürfnisse des.
Staates einzutreten gewillt sind, im Zusammenwirken mit der Volksver-
tretung festgehalten zu sehen, finde Ich Mich daher bestimmt, die Demission
des Gesamtkabinetts in Gnaden anzunehmen, und beauftrage dasselbe bis
zur Bildung einer neuen Regierung mit der Fortführung der Geschäfte.
Eckartsau, am 22. Juli 1918. Karl m. p.
Der Rücktritt v. Seidlers ist angesichts der feindlichen Haltung der
Polen, von deren Zustimmung die Möglichkeit, das Budget durchzubringen,
abhängt, unvermeidbar geworden. Die Polen begegnen u. Seidler mit dem
schärfsten Mißtrauen, weil sie ihm den Plan zuschreiben, Galizien zu teilen
und die Ukrainer daselbst autonom zu machen. Das Ministerium S. war am
23. Juni 1917 (s. GeschKal. 1917 Tl. 2 S. 124 f.) als unpolitisches Geschäfts-
ministerium gebildet worden. Erst am 30. Ang. (s. GeschKal. 1917 Tl. 2.
S. 169 f.) wurden die Minister endgültig eingesetzt und ergänzt. Seit das
Ministerium S. besteht, haben sich die innerpolitischen Schwierigkeiten in
Oesterreich verschlimmert. Anfangs fand v. S. auch bei den deutschen
Parteien kein Vertrauen. Mehr und mehr hat er sich ihnen dann aber
genähert, so daß die deutschen Parteien ihn schließlich als ihren Mann
betrachteten. Kürzlich (s. S. 41 f.) entwickelte v. S. ein Programm, in dem
er das Deutschtum zur Grundlage der österreichischen Staatspolitik machte.
Allein da die deutschen Parteien nicht die Mehrheit im Abgeordnetenhaus.
besitzen, ist dieses Programm undurchführbar.
22.—25. Juli. (Osterr. Abg.-Haus.) Staatsvoranschlag.
1918 19, Antrag betr. Ministeranklage, Vorkommnisse an der Süd-
westfront. ·
ZuBeginnderSitzungunterbreitetFinanzministerFrhr.v.Wimmer-
den Staatsvoranschlag für 1918/19. Die gesamten Staatsausgaben
werden auf 24 321 Mill. Kr. veranschlagt, davon sind 6439 Mill. fort-
dauernde Ausgaben, der Rest, 17 882 Mill., vorübergehende Ausgaben. In
den dauernden Ausgaben sind die Zinsen aller bisherigen Kriegsschulden
einschließlich der 8. Kriegsanleihe, 2510 Mill., inbegriffen. Als vorüber-
gehende Ausgaben erscheinen u. a. 12 Milliarden als Quotenbeiträge
Oesterreichs für die mobilisierte bewaffnete Macht. Als Staatseinnahmen
sind 4855 Mill. Kr. veranschlagt. Der Abgang der dauernden Gebarung
beträgt 1898 Mill., der Abgang der vorübergehenden Gebarung 17 568 Mill..