502 Polen. (Febr. 22. — April 4.)
werden wir unseren Nachfolgern das überliefern, was wir dem Blut unserer
Väter entnommen haben, aber wir erkennen die Verkleinerung unseres Vater-
landes nicht an. Warschau, den 14. Febr. 1918. Alexander Kakowski, Erz-
bischof, Jozef Ostrowski, Zdislaw Lubomirski.
In Warschau findet an diesem Tage ein allgemeiner Demonstrations-
streik statt. Wegen der dabei vorkommenden Widersetzlichkeiten wird der
Stadt vom Generalgouverneur eine Geldbuße von 250000 Mk. auferlegt.
22. Febr. (Lublin.) Wechsel im Militärgeneralgouvernement.
An Stelle des Generalmajors Stanislaus Graf Szeptycki, der wegen
der Cholmer Affäre (s. o.) sein Abschiedsgesuch eingereicht hat, übernimmt
Gen. d. Inf. Liposcak die Leitung des Militärgeneralgouvernements.
26. Febr. Deutsches Abkommen mit dem Polenkorps.
In Bobruisk wird zwischen dem Oberbefehlshaber des ersten voln.
Korps General Dowbor-Musnicki und dem Bevollmächtigten des Ober-
befehlshabers der deutschen Osttruppen, Major v. Wulffen, eine Verein-
barung abgeschlossen, wonach das poln. Korps eine neutrale Truppe ist,
der ein näher umgrenztes Gelände zur Sicherung gegen bolschewistische
Anschläge zugewiesen wird. — Am 21. Mai wird in Minsk eine deutsch-
poln. Vereinbarung abgeschlossen, wonach das Korps aufgelöst wird und seine
Angehörigen als freie Bürger in die Heimat zurückkehren können.
Am 6. März erklärt sich der Regentschaftsrat bereit, die politische
Gewalt über das erste poln. Korps und die poln. Formationen in Weiß-
rußland und der Ukraine, die ihr der am 30. Jan. 1918 gebildete „Oberste
Rat der poln. Wehrmacht“" zur Verfügung stellt, zu übernehmen.
27. Febr. Bildung eines prov. Kabinetts.
Der Regentschaftsrat richtet an den Ministerpräsidenten Kuchar-
zewski ein Handschreiben, worin Kucharzewski und sein Kabinett von der
Leitung der staatlichen Angelegenheiten enthoben wird, und betraut gleich-
zeitig Anton Ponikowski mit dem prov. Vorsitz im Rate der Leiter der
Ministerien sowie mit der Ueberwachung der anderen staatlichen Organe
beim Amte des Ministerpräsidenten. Ponikowski behält die prov. Leitung
des Ministeriums für Kultus und Unterricht, Stephan Dziewulski über-
nimmt die Leitung des Ministeriums des Innern, Anton Wieniawski das
Finanzministerium, Waclaw Makowski das Justizministerium, Stanislaw
Fa nicki das Ministerium für Landwirtschaft und die Krongüter, Anton
aczorowski (bereits am 27. gest., ein Nachfolger wird vorläufi nicht
ernannt) das Ministerium für Handel, Industrie und Arbeit. Die Leitung
des Staatsdepartements übernimmt Ladislaus Wroblewski.
Halbamtlich wird dazu mitgeteilt, daß die Tätigkeit des Regierungs-
provisoriums als notwendige laufende administrative Tätigkeit mit Aus-
schluß des naturgemäß dem zukünftigen Kabinett vorbehaltenen Programms
zu kennzeichnen ist.
4. April. Bildung des Kabinetts Steczkowski.
Am 26. März präsentiert der Regentschaftsrat den Okkupationsmächten
den ehem. Finanzminister Steczkowski für den Posten des Minister-
präsidenten.
Die „Voss. Ztg.“ bemerkt dazu: Die Kandidatur Steczkowski erfolgt
auf Grund eines sorgfältig ausgearbeiteten Programms, für das die akti-
vistischen Kreise zuvor auch in Berlin Stimmung zu machen bemüht waren.
Dieses erstrebt die Ausdehnung Polens auf russ. Boden in der Richtung
auf Minsk und einen engeren Anschluß an Deutschland, bedeutet also den
Verzicht auf die sog. austro-poln. Lösung.