516 Polen. (Nov. 20.—30.)
soll den Arbeitern in der Verwaltung der nicht verstaatlichten Industrie-
betrieben die Anteilnahme gesichert, Arbeiterschutzversicherungen gegen Arbeits-
losigkeit, Krankheit und Alter vorbereitet werden. Die Einziehung derjenigen
Vermögen, die während des Krieges aus verbrecherischer Spekulation mit
den notwendigsten Lebensmitteln entstanden sind, soll eingeleitet werden.
20. Nov. Zum poln. Geschäftsträger in Berlin wird Wilhelm
Feldman, ehem. Herausgeber der „Poln. Blätter“, ernannt.
22. Nov. Die poln. Truppen besetzen Lemberg.
Nach der Einnahme kommt es zu grausamen Judenpogromen seitens
der poln. Antisemiten. In L. wird eine poln. Regierung, mit Glombinski
und Skarbek, eingesetzt und der Gemeinderat L.# proklamiert auf Grund
des Selbstbestimmungsrechtes die Angliederung L.s an die poln. Republik. Die
ukr. Regierung (s. S. 98f.) siedelt nach Stanislau, später nach Tarnopol über.
23. Nov. Pilfudski vorläufiges Staatsoberhaupt.
In einem Erlaß erklärt Pilfudski, daß er sein Amt als Minister der
Heeresangelegenheiten niederlege und sich das Oberkommando der poln.
Wehrmacht vorbehalte. Laut Meldung des Warschauer „Robotnik“ ist P.
nunmehr bis zur Einberufung der Verfassunggebenden Versammlung Staats-
oberhaupt mit den Befugnissen, die ungefähr denen des Präsidenten der
Franz. Republik entsprechen.
23. Nov. Anerkennung der Unabhängigkeit Polens durch den
Papst. (S. S. 327.)
W. Nov. Protestnote an Deutschland.
Die poln. Regierung richtet an die Regierung der Deutschen Re-
publik eine Note, worin unter Hinweis auf die Ausschreitungen der deutschen
Soldaten in den östlichen Grenzgebieten Protest gegen die Verletzung der
Souveränität des poln. Staates erhoben wird. Gleichzeitig wird darauf
hingewiesen, daß das Verhalten der deutschen Truppen die Sicherheit der
Ostgrenzen bedrohe. Deshalb fordert die poln. Regierung die sofortige Eva-
kuierung der durch die deutschen Truppen okkupierten Ostgebiete und verlangt
mit Rücksicht auf den Ernst der Lage eine ungesäumte Antwort.
30. Nov. Erlaß des Wahlgesetzes.
In Warschau wird das Dekret veröffentlicht, womit Pilsudski als
Staatsvorstand die durch den Ministerrat durchberatene Vorlage über die
Wahlordnung zur Konstituante bestätigt. Die Wahlen werden für den
26. Jan. 1919 anberaumt. Die poln. Länder des früheren Rußland werden.
in 33 Wahlkreise eingeteilt mit 241 Mandaten. Der Teschener Teil von
Oesterr.-Schlesien bildet einen Wahlkreis mit 8 Mandaten, West-Galizien
11 Wahlkreise mit 71 Mandaten. Da in 13 ostgalizischen Wahlkreisen die
Wahlen nicht durchführbar sind, erhalten in diesen Wahlkreisen die ehem.
Reichsratsabg. die Mandate zur Konstituante. Für die zehn Wahlkreise in
den Gebieten Deutschlands wird demnächst eine Anordnung nach Rücksprache
mit „den Vertretern der dortigen Polen erfolgen. Auch die poln. Vertreter aus
Litauen und Ruthenen werden nach Einvernehmen mit den dortigen Polen
berufen werden. -
Mitte Dez. veröffentlicht das Warschauer Regierungsorgan „Monitor“
ein Dekret der poln. Regierung, wonach das preuß. Teilgebiet an der Wahl
zur poln. Konstituante teilnehmen soll. Es wird in folgende zehn Wahlbezirke
eingeteilt: Karthaus, Allenstein, Thorn, Posen, Gostyn, Oppeln, Beuthen,
Kattowitz, Flatow, Neiße.