Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Pelen. (Dez. 3.—15.) 517 
Die deutsche Regierung legt gegen die Vorbereitung der Wahlen 
zur poln. Konstituante in der Provinz Posen Protest ein; die Note wird 
jedoch, wie die „Gazeta Poranna“ am 20. Dez. mitteilt, von der poln. Re- 
gierung nicht zur Kenntnis genommen. 
3.—5. Dez. Poln. Teilgebietslandtag in Posen. (S. Tl. 1 S.542fs.) 
13. Dez. Abbruch der diplom. Beziehungen zu Rußland. 
Das Ministerium des Auswärtigen erteilt der poln. Vertretun in 
Moskau telegraphisch die Aufforderung, alle Vertretungen der poln. Re- 
gierung in Rußland sofort zu schließen und den Schutz der poln. Staats- 
angehörigen und Interessen dem dänischen Gesandten anzuvertrauen. — 
Diese Maßnahme ist auf bolschewistische Umtriebe in Polen zurückzuführen. 
15. Dez. Unterbrechung der diplom. Beziehungen zu Deutschland. 
Der Vorstand der polit. Abt. des Ministeriums des Aeußern Dr. Karl 
Bader überreicht im Namen der poln. Regierung dem deutschen Gesandten 
Grafen Keßler folgende Note: Ew. Exz.! Die poln. Regierung hat am 
25. Nov. d. J. (s. o.) eine Note an Se. Exz. den Staatssekretär des Ausw. 
Amts Dr. Solf gerichtet. Diese Note, welche die Räumung der durch den 
Oberbefehlshaber Ost verwalteten Gebiete verlangte, harrt noch immer der 
Beantwortung. Die Gewaltherrschaft, der die poln. Bevölkerung im Gebiete 
Oberost unterworfen ist, eine Herrschaft, die seit der Veränderung in der 
deutschen Politik keine Wandlung erfahren hat, macht jede Regelung dieser 
Frage gegenwärtig unmöglich. Die deutsche Regierung hat niemals das 
Verhalten der Militärbehörden, die die poln. Bevölkerung systematisch be- 
drücken, mißbilligt, vielmehr die den Polen feindlichen Elemente begünstigt. 
Diese Politik vergiftet ständig die Beziehungen zwischen den verschiedenen 
Nationalitäten dieser Gebiete und schafft an den Grenzen der Poln. Republik 
eine dauernde Gefahr für ihre Sicherheit. Andererseits trägt das offenbare 
Einvernehmen, das zwischen gewissen deutschen Militärbehörden und der 
Sowjetregierung besteht, zur Ausbreitung des bolschewistischen Systems in 
diesen Gegenden bei. Die lange Dauer der mühseligen Verhandlungen über 
die Frage der Räumung der Bug-Etappe nimmt der Lösung dieser Frage, 
weil zu spät erfolgt, jede praktische Wirkung. Die Unterstützung, welche die 
deutschen Militärbehörden im Gebiet von Cholm und Podlachien der ufkr. 
Bewegung haben zuteil werden lassen, beweist einerseits, daß die deutschen 
Behörden dahin streben, zum Schaden der Interessen Polens vollendete 
Tatsachen zu schaffen, und trägt andererseits dazu bei, die poln. und ukr. 
Nation durch eine Kluft zu trennen. In keiner der angeführten Fragen ist 
es der poln. Regierung gelungen, sich rechtzeitig mit den Vertretern Deutsch- 
lands zu verständigen. Die Organisation des Heimatschutzes Ost und die 
herausfordernde Haltung des Ostmarkenvereins wie auch die Erschwerungen, 
die für den freien Verkehr zwischen Warschau und den poln. Gebietsteilen 
Preußens bestehen, haben sehr dazu beigetragen, die feindlichen Gefühle der 
poln. Bevölkerung gegen Preußen zu verstärken und Zweifel an der Auf- 
richtigkeit Deutschlands, sich an die vom Präsidenten der Ver. Staaten 
proklamierten Friedensgrundsätze zu halten, hervorgerufen. Mit Rücksicht 
auf die nur sehr kurze Spanne Zeit, die uns noch vom Friedenskongreß 
trennt, erachtet die poln. Regierung jede Auseinandersetzung außerhalb des 
Rahmens der Verhandlungen, die auf dem Friedenskongreß stattfinden 
werden, für unnütz und sogar in Anbetracht der gegenwärtigen Lage für 
die innere Ordnung Polens und auch für die künftigen guten gegenseitigen 
Beziehungen für schädlich. In der Hoffnung, daß nach Wiederherstellung 
normaler Verhältnisse die Beziehungen zwischen dem poln. und dem deutschen 
 
	        
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