IELIXIIIITIIIO Monercie and die MNachfolgestaaten. (Juli 27.) 49
des Reichsrates in Angelegenheiten des Ernährungswesens gesichert bleiben.
Eine ganz besondere und unaufschiebbare Bedeutung wird die Ordnung
der Finanzen besitzen. Ebenso wird die Mitarbeit des Reichsrats erheischt
für das große Werk des wirtschaftlichen Wiederaufbaues auf breitester
Basis. Wir bringen den unerschütterlichen Glauben an die glorreiche Zu-
kunft unseres Staatswesens, bringen den festen Willen mit, seine reichen
Kräfte für den Dienst seiner edelsten Zukunftszwecke zu sammeln. Wir
müssen bestrebt sein, die Grundlagen gemeinsamer vertrauensvoller Arbeit
zu schaffen, die nicht ohne gegenseitige Offenheit und Geradheit vollbracht
werden kann. In dieser Richtung wenden wir uns zunächst an jene Gruppen,
die nach ihrer grundsätzlichen Stellung schon früher an der Seite des im
schwersten Kampfe ringenden Staates gestanden sind und halten uns die
Pflichten dieses erprobten Verhältnisses auch unsererseits gegenwärtig. Wir
möchten aber auch bei jenen, die eine ablehnende Haltung einnehmen,
wenigstens jenes Maß von Vertrauen erringen, wie es loyale Gegner ein-
ander zollen können. Die Gerechtigkeit gegen alle, gegen jeden Volksstamm
und jede soziale Schicht muß aber der oberste Leitstern sein und bleiben.
(Zwischenrufe der Abgg. Pantz und Teufel: Wo ist der deutsche Kurs?
Lebhafte Gegenrufe der Tschechen.) Wir würden uns glücklich schätzen,
wenn es uns vergönnt wäre, ein Stück der Riesenarbeit, die die Zeit von
unserem Vaterlande verlangt, gut und gediegen zu leisten.
Hierauf beginnt das Haus die zweite Lesung des Budgetprovisoriums (s.
S. 41). Die Debatte eröffnet Abg. Stanek, der namens des Tschechenverbandes.
u. a. ausführt: Das tschech. Volk ist durch sich selbst groß und stark geworden. Es
ist gewachsen trotz der Ungunst der Vormundschaft der Wiener Regierungen.
Niemals war es so einheitlich, so kampfbereit und so siegesgewiß wie gegen-
wärtig. Das gesamte tschech. Volk ist einig in seinem unerschütterlichen
Willen, nie mehr ein fremdes Joch, eine fremde Farbe zu tragen, zu er-
reichen, was das magyarische Volk und die Randvölker Rußlands er-
reichten. Der tschecho-slowak. Staat ist eine unabwendbar bestehende Tat-
sache. Darüber täusche man sich weder hier noch in Budapest. Mit uns
ist der demokratische Geist der Zeit. Er geht nach oben und nach vorn.
Den Männern auf der Regierungsbank fehlt die Entschlossenheit, weil sie
sich dem deutschnationalen Terror unterwerfen mußten. — Nachdem noch Ver-
treter der übrigen Parteien gesprochen haben, wobei die Deutschen das Re-
gierungsprogramm sehr kühl aufnehmen, wird in namentlicher Abstimmung
mit 215 gegen 195 Stimmen das sechsmonatige Budgetprovisorium
sowie in einfacher Abstimmung der Sechsmilliardenkredit angenommen.
(Die Mehrheit setzt sich zusammen aus den Christl.-soz., den Deutsch-Nat.
einschl. der Deutsch-Rad., den Rumänen, dem Polenklub und einem Teil
der Ital., die Minderheit aus den Tschechen, Südflawen, Ruth., poln. und
deutsch. Soz.) Das Haus tritt sodann die Sommerferien an.
27. Juli. Der tschech. Verrat an der Piave.
Aus dem österr.-ung. Kriegspresseguartier wird u. a. gemeldet: Gleich
zu Beginn der Kämpfe am Morgen des 15. Juni wurde die Wahrnehmung
gemacht, daß der Feind gerade an jenen Stellen, die für den Fall des
weiteren Vordringens in Aussicht genommen waren, zu planmäßigem, wohl-
vorbereitetem Gegenangriff schritt. Auch wurde die Tatsache festgestellt, daß
der Gegner über Umfang, Tag und Stunde unseres Angriffs genau unter-
richtet war. Das für das Gelingen einer Offensive so wichtige Ueber-
raschungsmoment war damit vereitelt. In kurzer Zeit konnte auch akten-
mäßig festgestellt werden, daß eine Reihe von Ueberläufern der ital. Heeres-
leitung Material lieferten, durch dessen Vergleich und gegenseitige Ergänzung
Europäischer Geschichtskalender. LIX.#. 4