Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

544 Rumãnien. (Juli 25.—Aug. 9.) 
Kammer gesetzt; sie stützt sich auf die Verletzung des Art. 122 der Verfassung 
und auf Art. 1 bis 4 des Gesetzes über Ministerverantwortlichkeit. Sie 
wird erhoben gegen den ehem. Ministerpräsidenten Joel Bratianu, der 
vor Ausbruch des Krieges gleichzeitig Kriegsminister und später Minister 
des Aeußern war, sowie gegen die Minister Vintilla Bratianu, Emil Costi- 
nescu, Alexandru Constantinescu, V. G. Mortzun, Victor Antonescu, Dr. C. 
Anghelescu und den ehem. Vizepräsidenten des Ministerrats Take Jonescu. 
Als Anklagepunkte werden u. a. genannt: Gestattung des Einmarsches 
russ. Truppen in das Staatsgebiet ohne Zustimmung der Volksvertretung, 
Vernachlässigung der Vorbereitung der Armee, Fahrlässigkeit bei der Räu- 
mung der später besetzten Gebiete. Bestechung von Parlamentsmitgliedern. 
Am 17. nimmt die Kammer den Antrag auf Erhebung der Anklage 
gegen die Regierung Bratianu mit 115 Stimmen bei zwei Enthaltungen 
(Guza und Codreanu) an. Ein aus sieben Mitgliedern bestehender Ausschuß 
wird beauftragt, die Voruntersuchungen vorzunehmen. 
· Nacheinem»Havas«-BerichterklärenfolgendeMinifterdesKabinetts 
Bratianu in einer schriftlichen Erklärung ihre Solidarität mit Bratianu: 
Porumbaro, Duca, Cantacuzenu, Marcescu, Pherekyde. Greceanu. 
25. Juli. (Senat.) Die Gesetzesvorlage über die Naturali- 
sierung der Juden wird mit 62 gegen 2 Stimmen angenommen. 
Der Minister des Aeußern Arion betont bei Begründung der Vor- 
lage, daß bei Revision des Art. 7 der Verfassung die Judenfrage später 
ihre endgültige Lösung finden werde. — Am 3. Aug. nimmt auch die 
Kammer die Vorlage mit 86 gegen 13 Stimmen an. 
5.—6. Aug. (Kammer.) Anklage gegen das Kabinett Bratianu. 
Vor dem Eintritt in die Verhandlungen wird die an den Kammer- 
präsidenten gerichtete Antwort der angeklagten lib. Minister auf den 
Anklageantrag der Kammer verlesen, worin die Angeklagten schwere Be- 
schuldigungen gegen das jetzige Parlament erheben, dessen moralische und 
gesetzliche Autorität sie nicht anzuerkennen vermögen und dem sie den 
Vorwurf machen, daß es sich aus Verrätern des Vaterlandes und Deser- 
teuren zusammensetze. 
Sodann beginnt die Besprechung des Berichtes des parlamentarischen 
Untersuchungsausschusses (s. o.), laut dem der ehem. Ministerpräsident 
Bratianu und vier Minister seines Kabinetts in Anklagezustand versetzt 
werden sollen. Nach dem Gesetz muß die Abstimmung für jeden angeklagten 
Minister gesondert erfolgen. Die Versetzung Bratianus in den Anklage- 
zustand wird einstimmig mit 109 Stimmen angenommen. — Am 6. wird 
beschlossen, auch gegen die ehem. Minister Emil Costinescu, Vintilla Bratianu, 
Alexandru Constantinescu, B. Mortzun, Victor Antonescu, Dr. Anghelescu 
und Take Jonescu Anklage zu erheben. Die Stimmen, die für Versetzung 
in den Anklagezustand abgegeben werden, schwanken bei den einzelnen 
Ministern zwischen 111 und 117, nur bei Victor Antonescu stimmt ein 
Abg. gegen die Anklage, während bei allen anderen sämtliche Abg. dafür 
stimmen oder sich einige der Abstimmung enthalten. — Am 8. schließt sich 
der Senat der Entscheidung der Kammer mit 57 Stimmen gegen 1 bei 
6 Stimmenthaltungen an. 
9. Aug. (Kammer.) Ermächtigungsgesetz. 
Die Kammer nimmt mit 70 gegen 2 Stimmen die Gesetzesvorlage 
an, welche die Regierung für die Zeit bis zum allgemeinen Frieden er- 
mächtigt, während der Parlamentsferien oder im Falle der Auflösung der
	        
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