Jerbien. (Mai 1.—Nov. 10.) 549
Am 25. März meldet die „Ag. Stefani“, daß Paschitsch das Mini-
sterium unter Beteiligung aller Mitglieder des bisherigen Kabinetts wieder
gebildet hat, nachdem der Versuch, ein Koalitionskabinett zu bilden und
ein Einvernehmen der Parteien herzustellen, vergeblich gewesen war.
1. Mai. Opposition in der Skuptschina.
Das serb. Pressebüro meldet aus Korfu: Bei der Abstimmung über
die Kriegskredite im Betrage von 250 Mill. Dinars in der Skuptschina
verließ die Opposition den Saal und verhinderte dadurch die Abstimmung. —
Der Grund des Zwistes zwischen dem Ministerpräsidenten und einer immer
stärker anwachsenden Oppositionsgruppe ist deren dringendes Begehren nach
Abschluß eines Sonderfriedens. Wie der „Voss. Ztg.“ am 3. aus durchaus
zuverlässiger Quelle gemeldet wird, hat Paschitsch sich des Drängens der
Opposition nicht anders mehr zu erwehren gewußt, als daß er alle Abg.,
die sich im serb. Parlament, das in Korfu tagt, für einen Sonderfrieden
ausgesprochen hatten, verhaften und im Achilleion internieren ließ. Er fand
dazu allerdings erst den Mut, nachdem von London ein sehr energischer
Druck auf ihn ausgeübt worden war.
17. Juni. Wechsel im Kriegsministerium.
An Stelle des Generals Tersitsch, der sein Entlassungsgesuch ein-
gereicht hat, wird Protitsch (wohl der derzeitige Justizminister) zu seinem
Nachfolger ernannt. Der Grund für den Rücktritt T.s wird nicht bekannt.
24. Okt. Regierungserklärung zur Südslawenfrage.
Aus London wird durch „Havas“ berichtet: Ministerpräsident Paschitsch
gab einem Vertreter des Reuterbureaus folgende Erklärung ab: Die serb. Re-
gierung ist entschlossen, auf dem Boden der Erklärung von Korfu (s. Gesch Kal.
1917 Tl. 2 S. 841 f.) zu bleiben. Sie hat nie eine imperialistische Politik
verfolgt und gedenkt, nie eine solche zu verfolgen, weil das demokratisch
gesinnte serb. Volk alles aufs Spiel gesetzt hat, um sich von dem Imperia-
lismus Oesterreich-Ungarns zu befreien. Das serb. Volk wird nie den Wunsch
hegen, im künftigen serbisch-kroatisch-slowenischen Königreich eine vorherr-
schende Stellung einzunehmen. Ich erkläre feierlich, daß Serbien es für
seine nationale Pflicht erachtet, die Serben, Kroaten und Slowenen zu be-
freien. Wenn diese befreit sein werden, so werden sie das Selbstbestimmungs-
recht besitzen, d. h. das Recht, selbst zu erklären, ob sie sich Serbien auf der
Grundlage der Korfuer Erklärung anschließen, oder ob sie kleine selbständige
Staaten bilden wollen wie in früheren Zeiten. Nicht nur wollen wir keine
imperialistische Politik verfolgen, sondern wir werden auch das Selbstbestim-
mungsrecht der Kroaten und Slowenen in keiner Weise beschränken lassen.
Wir werden auf der Korfuer Erklärung nicht bestehen, wenn sie deren
Wünschen widerspricht.
1. Nov. Serb. Truppen besetzen wieder Belgrad.
10.Nov. Verhandlungen mit den Südslawen betr. d. Anschlußfrage.
Eine in Genf tagende Konferenz, an der Vertreter der serb. Re-
gierung, des Südslaw. Nationalrats von Agram, des Blocks der serb. Op-
positionsparteien und des südflaw. Komitees von London teilnehmen, hat
folgendes Ergebnis: Im Namen der serb. Regierung nimmt Paschitsch die
Note an, in der die Delegierten des Südslaw. Nationalrats von Agram ver-
langen, daß dieser Rat als höchste Behörde des aus Serben, Kroaten und
Slowenen der ehemaligen habsburgischen Monarchie gebildeten Staates an-
erkannt, daß die südslaw. Streitmacht zu Lande und zu Wasser als krieg-
führende und verbündete Truppen anerkannt werden, und daß Dr. Trum-