Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Menienegzre. (Nov. 1. - Dez. 20.) 553 
Albanien befindet, ist nichts Näheres bekannt. Skutari und Rjeka befinden 
sich bereits in der Macht der Ausständischen. Die alban. Soldaten, die in 
Montenegro in Garnison liegen, haben sich ihnen angeschlossen. Ohne jede 
Rücksicht werden alle Gemeindevorsteher, die der österr. Verwaltung günstig 
gesinnt waren, mit dem Tode bestraft. Den Komitatschis haben sich auch die 
alban. freiwilligen Bataillone angeschlossen. 
1. Nov. Proklamation König Nilkitas. 
König Nikita richtet von Neuilly aus eine von seinem Ministerium 
gegengezeichnete Proklamation an die Südslawen, worin er seiner 
großen Freude über die Befreiung der südflawischen Rasse Ausdruck gibt. 
Bezüglich der Zukunft Montenegros heißt es darin: Mit größter und 
freudigster Begeisterung, die der Beistimmung meines treuen Volkes sicher 
ist, erkläre ich heute feierlichst, daß mein geliebtes Montenegro ein kon- 
stituierender Bestandteil der südflawischen Nation werden und in den süd- 
slawischen Verband frei und ehrenvoll, wie es für ihn gekämpft und gelitten 
hat, eintreten muß. Mein Wunsch ist, daß wir vereinigt werden und daß 
wir als Brüder uns in einen südslawischen Bund zusammenischließen, in 
dem jedes seine Rechte, Einrichtungen, Religion und Gebräuche sich wahrt. 
29. Nov. (Podgoritza.) Die montenegr. Große Nationalversamm- 
lung (Skupschtina) beschließt einstimmig, König Nikolaus und sein Haus 
abzusetzen und Montenegro unter König Peter mit Serbien zu vereinigen. 
Am 4. Dez. meldet „Havas“: Die montenegr. Regierung (in Paris) 
dementiert die Nachricht, daß die Große Skupschtina beschlossen habe, König 
Nikolaus abzusetzen und Montenegro mit Serbien zu vereinigen. Allein das 
vom Volke gesetzmäßig gewählte Nationalparlament habe das Recht, Be- 
schlüsse bezüglich der Souveränität des Staates und Herrscherhauses zu 
fassen. Die Große Skupschtina bestehe nicht verfassungsgemäß, andererseits 
sei es unmöglich, augenblicklich das Nationalparlament zusammenzuberufen, 
da eine große Zahl der Mitglieder noch in österr. Gefängnissen eingekerkert 
sei oder in fremden, alliierten oder neutralen Ländern wohne. 
Der „Matin“ veröffentlicht am gleichen Tage eine Erkärung des 
Königs Nikita, in der dieser erklärt, daß der Bericht über seine Absetzung 
nur ein Probeballon sei. Wenn wirklich eine Zusammenkunft in Podgoritza 
stattgefunden habe, dann könne das nur unter dem Zwange der Bajonette 
geschehen sein. Eine Volksabstimmung könne nicht mit bewaffneter Macht 
durchgeführt werden. Sein Geschlecht regiere seit 244 Jahren in Montenegro, 
er selbst seit 60 Jahren. Er glaube nicht, schlechte Erinnerungen hinterlassen 
zu haben. Trotzdem würde er sich einer Entscheidung des Volkes unter- 
wersen, denn in seinem Lande seien die Fürsten noch immer die Diener 
des Staates gewesen. 
20. Dez. Delegierte der montenegr. Skupschtina notifizieren 
formell in Belgrad die Vereinigung Montenegros mit Serbien. 
In der Belgrader Zeitung „Samouprava“ wird folgende Erklärung 
des Chefs der montenegr. Mission veröffentlicht: Gegenüber einer von dem 
früheren König von Montenegro in die Presse gebrachten Meldung erkläre 
ich, daß die Große Nationalversammlung in Podgoritza durch den Willen 
des gesamten Volkes und Landes gewählt wurde. Der frühere König von 
Montenegro hat durch seine unaufrichtige Kriegführung und seine Flucht 
aus dem Lande, das er einfach preisgab, sein Land und seine Krone ver- 
scherzt. Wir haben alle Beziehungen zu ihm abgebrochen.
	        
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