580 Vereinigte Staaten von Noerdamerike und Kauad#. (Juli 4.)
sahen sie im Lichte der Zukunst, sahen sie mit dem Auge der Neuzeit, das
sich abgewandt hatte von einer Vergangenheit, welche Männer befreiten
Geistes nicht länger zu ertragen vermochten. Aus diesem Grunde können
wir, gerade hier, in unmittelbarer Nähe dieses geheiligten Grabes, nicht
wahrnehmen, daß dies ein Ort des Todes sei. Es war ein Ort der Tat.
Ein großes Versprechen, das der ganzen Menschheit galt, ist hier geplant
und verwirklicht worden. Die uns hier umgebenden Gefühle sind die be-
geisternden Gedanken an jenen großen Tod, der nur eine glorreiche Voll-
bringung ist. Von diesem grünen Hügelgelände aus sollten auch wir fähig
sein, mit verständnisvollen Augen die uns umgebende Welt zu sehen und
von neuem das Ziel, Menschen frei zu machen, zu erfassen. Es ist be-
zeichnend — bezeichnend für ihren eigenen Charakter, ihre Zwecke, sowie
für den Einfluß, den sie in die Wege leiteten, — daß Washington und
seine Gefährten, wie die Barone zu Runnymede, nicht für eine Klasse,
sondern für ein Volk sprachen und handelten. Uns blieb es vorbehalten,
dahin zu wirken, daß das Verständnis sich Bahn breche, daß sie nicht für
ein Volk allein, sondern für die ganze Menschheit sprachen und handelten.
Sie dachten nicht an sich selbst und an die materiellen Interessen, die bei
jenen kleinen Gruppen von Landbesitzern, Kaufherren und Geschäftsleuten
in Virginien und in den Niederlassungen nördlich und südlich davon, mit
denen sie zu verkehren gewohnt waren, ihren Mittelpunkt hatten. Sie dachten
an ein Volk, das aufzuräumen wünschte mit Klassen- und Sonderinteressen,
mit der Autorität von Männern, die es nicht selbst gewählt hatte, um von
ihnen regiert zu werden. Sie verfolgten keine Privatzwecke, wünschten keine
besonderen Vorrechte. Geflissentlich verfolgten sie den Plan, den Menschen
aller Klassen die Freiheit zu sichern und aus Amerika eine Stätte zu machen,
wo Menschen aller Nationen, welche wünschten, mit ihnen die Rechte und
Privilegien freier Männer zu teilen, Aufnahme finden würden. Und wir
beherzigen ihre Weisung, nicht wahr? Wir beabsichtigen, was sie beachsichtigten.
Wir hier in Amerika glauben, daß unsere Teilnahme an dem gegenwärtigen
Kriege nur die Frucht dessen ist, was sie pflanzten. Unsere Lage unterscheidet
sich von der ihren nur dadurch, daß es unser unschätzbares Vorrecht ist,
mit Männern aller Nationen in Beratung zu treten, die nicht nur die
Freiheiten Amerikas sichern wollen, sondern ebenfalls die Freiheiten jedes
anderen Volkes. Wir sind glücklich in dem Gedanken, daß es uns gestattet
ist, zu tun, was sie getan haben würden, wenn sie an unserer Stelle gewesen
wären. Jetzt muß ein- für allemal erledigt werden, was für Amerifka in
den großen Zeiten erledigt wurde, auf deren Eingebungen wir heute zurück-
greifen. Gewiß ist dies ein passender Ort, um von hier aus in aller Ruhe
unsere Aufgabe zu übersehen, damit wir unseren Geist für deren Erfüllung
stärken können. Auch ist dies der geeignete Ort, den Glauben und Zweck,
dem wir folgen, zu bekennen, vor den Freunden sowohl, die uns zusehen,
als auch vor denen, mit denen wir zu unserer Freude im Kampfe verbunden
sind. Dies also ist unsere Auffassung des großen Kampfes, den wir führen.
Jede Szene, jeder Aufzug dieser erhabenen Tragödie offenbart in durchsichtiger
Klarheit ihren Jdeengang. Auf der einen Seite stehen die Völker der Welt
— nicht nur die Völker, die tatsächlich im Kampfe stehen, sondern auch viele
andere, die unter der Gewalt leiden, ohne handeln zu können, Völker mancher
Rassen und in jedem Teile der Welt — darunter das Volk des schwer heim-
gesuchten Rußland, das im Augenblick ohne Ordnung und Hilfe ist. Ihnen steht als
Gebieterin vieler Armeen eine vereinzelte, freundlose Gruppe von Regierungen
gegenüber, die keinen Zweck als nur ihren eigenen, selbstsüchtigen Ehrgeiz ver-
folgt, durch den niemand gewinnen kann, als nur sie selbst, und die ihre
Völker nur als Brennstoff (kuel) verwendet. Es sind Regierungen, die ihre