Vereinizte Staaten von Nerdameriksa and Kanada. Olt. 14. - 25.) 595
Staatssekretär Lansing hält im theologischen Seminav in Auburn
im Staate New York anläßlich des hundertjährigen Bestehens des Seminars
eine Rede, worin er erklärt, daß die Friedensverhandlungen dicht in der
Nähe seien, und daß man nicht zulassen dürfe, daß ein Geist der Rache
die Verhandlungen beeinträchtige. Eine rachegierige Haltung der Verbün-
deten würde den aufrichtigen Geist der Gerechtigkeit, der für die Gründung
eines dauerhaften Friedens wesentlich sei, stark beeinträchtigen. Nachdem
der Krieg gewonnen sei, müsse das amerik. Volk keinen weiteren rücksichts-
losen Haß gegen diejenigen, welche der Militärdiktatur der Mittelmächte
gedient haben, hegen. Man müsse einen Unterschied machen zwischen den
Herren und Dienern. Es sei die Pflicht derjenigen, die die öffentliche Mei-
nung beeinflussen, darauf zu sehen, daß diese Leidenschaft die Verwirklichung
der Pläne zu einer Neuregelung und Neuordnung der Welt nach der Wieder-
herstellung des Friedens nicht verhindern werde. — Die Tatsache, daß
Lansings Rede vorher dem Präsidenten zur Genehmigung vorgelegen hatte,
beweise, sagt der Korrespondent der „Central News“, daß Wilson diese An-
sicht teile, nämlich, daß Deutschlands Herrscher und nicht das deutsche Volk
für den Krieg verantwortlich seien.
14. Okt. Zweite Antwortnote an Deutschland. (Den Wortlaut
s. S. 610 ff.)
Nach einer gleichzeitigen „Reuter"meldung aus New VNork geht die
Auffassung der Mehrheit der amerik. Blätter von dem Ziel der Note dahin,
daß sie die vollständige Entthronung der Hohenzollern und bedingungslose
Uebergabe (the complete overthrow of the Hohenzollern dynasty and
unconditional surrender) fordere. Die Haltung des Präsidenten werde vom
ganzen Lande und den beiden Parteien des Kongresses völlig gebilligt.
14. Okt. übergabe der türk. Friedensnote. (Den Wortlaut s. S. 620.)
18. Okt. Antwort auf die österr.-ung. Friedensnote. (Den Wort-
laut s. S. 619.)
23. Okt. Dritte Antwortnote an Deutschland. (Den Wortlaut
s. S. 613 ff.)
25. Okt. Wilsons Wahlmanifest.
Im Hinblick auf die am 5. Nov. stattfindenden Kongreßwahlen erläßt
Präsident Wilson einen Wahlaufruf, worin er sagt, daß die Kongreß-
wahlen im kritischsten Augenblick der Geschichte des Landes einsetzen. Dann
fährt er fort: „Wenn Ihr meiner Führung zugestimmt habt und wollt, daß
ich Euer unbehinderter Führer in inneren und auswärtigen Angelegenheiten
bleibe, so bitte ich Euch, Euch klar und unzweideutig dahin auszusprechen,
indem Ihr eine demokratische Mehrheit in den Senat und ins Repräsen-
tantenhaus wählt.“ Der Präsident mißbilligt die Auffassung, daß eine Partei
in diesem Kriege patriotischer als die andere sei und hat ein starkes Em-
pfinden für die Opfer, die alle Bürger ohne Rücksicht auf ihre Partei-
zugehörigkeit ihrem Vaterlande gebracht haben. Er sagt, die Nation solle
eine Regierung unter einer einheitlichen Führung unterstützen. Ein republik.
Kongreß aber würde diese Führung spalten. Er erklärt weiter: „Die Führer
der Minderheit im gegenwärtigen Kongreß sind fraglos für den Krieg ge-
wesen, aber sie waren gegen die Verwaltung. Sie haben fast bei jeder
Gelegenheit versucht, die freie Wahl der einzuschlagenden Politik und die
Führung des Krieges meinen Händen zu entreißen und unter die Kontrolle
der von ihnen gewählten Werkzeuge zu stellen. Die Wahl einer republika-
nischen Mehrheit in eines der beiden Häuser des Kongresses würde außer-
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