Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

634 Asien. (März 12.) 
England vorwarf. Das neue Ministerium ist in politischer Hinsicht ein- 
heitlich zusammengesetzt und hat die demokratisch-nationalistische Mehrheit 
des pers. Volkes hinter sich. — Das Kabinett wechselt in den nächsten Monaten 
mehrmals. Ende Juni übernimmt der Bakhtiare Sansan-es-Saltaneh 
das Präsidium des Ministerrats. (S. auch S. 640.) 
12. März. (Japan.) Frage des Einmarsches in Sibirien. 
Auf Anfragen im Abgeordnetenhause, ob von Seite der Ver- 
bündeten ein Ansuchen um Entsendung jap. Truppen nach Sibirien ein- 
gelangt sei, gibt der Minister des Aeußern Motono eine verneinende Ant- 
wort und bemerkt, daß der Gedankenaustausch fortdauere, daß aber Ver- 
öffentlichungen unzeitgemäß wären. — Der Oppositionsführer Graf Osaki 
gibt dem Bedauern Ausdruck, daß die Regierung in einem kritischen Augen- 
blik den Volksvertretern nicht genügend Vertrauen schenke, und befürwortet 
eine militärische Aktion in Rußland, wobei man jedoch größte Vorsicht 
walten lassen müsse. — Ministerpräsident Graf Terautschi erklärt, bezüglich 
der Entsendung von Truppen nach Sibirien sei noch keine Entscheidung 
getroffen worden. Die Regierung lasse es angesichts der ungemein bedeut- 
samen Lage an äußerster Vorsicht und Bedachtsamkeit nicht fehlen. Schließ- 
lich spricht das Haus dem Ministerium mit 320 gegen 18 Stimmen das 
Vertrauen für seine Ostasienpolitik aus. 
Von der Verbandspresse wird anfangs März eine lebhafte Kampagne 
für eine Intervention Japans im fernen Osten eröffnet, um dadurch einen 
Ersatz für die zusammengebrochene russische Front zu gewinnen. Gleichzeitig 
verfolgt man damit den Zweck, in Sibirien sich ein Faustpfand für die Schulden 
Rußlands bei der Entente zu verschaffen. Als Lockmittel für Japan dienen 
Gerüchte von imperialistischen Plänen, die Deutschland angeblich mit Hilfe 
der kriegsgefangenen Deutschen in Sibirien zu verwirklichen beabsichtige. 
Die Intervention wird jedoch in Japan selbst, sogar von regierungsfreund- 
lichen Kreisen, entschieden bekämpft. Auch die Ver. Staaten (s. S. 569 f.) nehmen. 
zu diesem Plan eine durchaus ablehnende Haltung ein. Dazu kommt noch 
eine Meinungsverschiedenheit zwischen England und Frankreich auf der einen 
Seite und Japan auf der anderen Seite. Die Regierungen Englands 
und Frankreichs möchten, daß die Japaner entlang der sib. Bahn möglichst 
tief in Sibirien vordringen, um den Anstoß zu einer sib. Erhebung gegen 
die Bolschewiki und zur Wiederherstellung eines ententistischen Rußland auf 
sib. Boden zu geben, während die jap. Regierung lediglich diejenigen Orte 
im sib. Küstengebiet besetzen möchte, an deren Besitzergreifung ihr etwas 
liegt. Zu einem Unternehmen großen Stiles ist die jap. Regierung nicht 
geneigt, da sie die militärischen, finanziellen und wirtschaftlichen Kräfte ihres 
Landes nicht zu sehr schwächen möchte. 
Bezüglich der namentlich von franz. Seite immer wieder ventilierten 
Frage, ob Japan Truppen an die europäische Front senden werde, 
erklärt der jap. Gesandte in der Schweiz einem Vertreter des „Berner Tagebl.“ 
(am 22.): Das ist Unsinn. Wir haben in Japan eine stehende Armee von 
21 Divisionen, d. h. etwa 300000 Mann Friedensstärke. Nach der Kriegs- 
erklärung an Deutschland waren noch etwa 20000 bis 30000 Mann mehr 
mobilisiert worden. Diese sind aber längst wieder demobilisiert. Wir haben 
unser Militär in Ostasien nötig, um damit unser neues Besitztum, besonders 
Korea und Formosa, zu konsolidieren. Auf einen Einwand, daß angeblich 
im jap. Parlament eine starke Partei vorhanden, die ein Eingreifen in den 
europäischen Krieg fordere, erwidert der Gesandte: Die jap. Kammer zählt 
gegenwärtig 390 Mitglieder, wovon bereits von vornherein etwa 150 zur 
oppositionellen Partei gehören. Selbst wenn eine große Interventionspartei
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.