Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Asten. (Juni 10.—Juli 1.) 639 
tritt und sich an Amerika mit der Bitte um Anerkennung und militärische 
Hilfeleistung wendet und dafür verspricht, „mit Deutschland und Oesterreich- 
Ungarn nicht anders als mit Einwilligung Amerikas Frieden zu schließen.“ — 
Im Juli verlegt General Horwat den Sitz seiner Regierung nach Grode- 
kowo und läßt sich am 16. Juli zum vorläufigen „Herrscher über alle russ. 
Länder“ proklamieren. 
10. Juni. (Sibirien.) Bildung einer „Prov. westsibir. Regierung“ 
in Omsk. 
Der russ. Räteregierung wird mitgeteilt, daß sich in Omsk, das von 
den Tschecho-Slowaken zusommen mit Kosaken und Kirgisen besetzt wurde, 
eine Prov. westsibir. Regierung mit starkem monarchischem Einschlag 
gebildet hat. Sie setzt sich nach einer Nachricht der „Petersb. Tel.-Ag.“ 
folgendermaßen zusammen: Kriegsminister und Oberbefehlshaber der Weiß- 
gardisten: Oberst Drischin, Verpflegung: Sefirow, Finanz: Malzow, 
Ackerbau: Petrow, Justiz: Norosow, Inneres: Liwe, Aeußeres: Golo- 
watschew. 
Diese Regierung ruft, nach einer „Havas“ meldung v. 25. Juli, die 
Unabhängigkeit Sibiriens unter der Antorität des Ministerrates in 
Omsk aus. Ferner setzt sie alle maximalistischen Verordnungen außer Kraft, 
stellt die sibir. Duma (s. S. 632) wieder her und hebt die Beschlagnahme 
des Eigentums auf, bis die verfassungsmäßige Versammlung die Bodenfrage 
gelöst haben wird. Die Regierung ersucht die Regierung in Wladiwostok 
(s. 30. Juni), dieses Vorgehen zu billigen. 
30. Juni. (Sibirien.) Die Tschecho-Slowaken (s. S. 433) lösen 
den Sowjet von Wladiwostok auf. („Reuter.“) 
Ein Teil der tschecho-slowakischen Truppen, der gemäß der 
Abmachung mit der Räteregierung in Moskau Wladiwostok erreicht hat, 
um dort entwaffnet auf Ententefahrzeugen eingeschifft zu werden, hat mit 
gegenrevolutionären Elementen gemeinsame Sache gemacht. 
In Wladiwostok bildet sich in diesen Wochen eine Prov. Regierung, 
die gleichfalls die Funktionen einer „sibir. Regierung“ für sich in Anspruch 
nimmt; sie stellt sich in scharfen Gegensatz zu General Horwat (s. o.), 
den sie nach einer „Reuter' meldung v. 18. Juli als Verräter an der Sache 
der Revolution brandmarkt. Nach einer anderen „Reuter“ meldung bildet 
die in W. eingesetzte sibir. Regierung nur einen Zweig der in Omsk be- 
stehenden sibir. Regierung. 
Ein anderer Teil der Tschecho-Slowaken steht in Nikolsk. Zwischen 
ihnen und General Horwat kommt es zu Verhandlungen, als deren Ergebnis, 
wie „Reuter“ am 25. Juli mitteilt, ein Abkommen abgeschlossen wird, wo- 
nach die Tschecho-Slowaken Horwat bei seinem Vorgehen in Westsibirien 
unterstützen sollen. 
Die Zustände in Sibirien sind in diesen Monaten sehr verworren. 
Es bestehen sechs verschiedene Regierungen und Militärgewalten: 1. die 
Tschecho-Slowaken, 2. Semenow, 3. Horwat (in Charbin), 4. und 5. die 
beiden vorläufigen Regierungen in Wladiwostok und Omsk und 6. die im 
Juli gebildete Regierung von Alexejew zwischen Tomsk und Nischni-Udinsk. 
Außerdem behaupten sich die Bolschewisten im Gebiete um Irkutsk (s. 24. Aug.). 
1. Juli. (Japan.) Verstärkung der Wehrmacht. 
Die „Times“ v. 8. melden aus Tokio v. 1. Juli: Der Rat der fünf 
Marschälle und Admirale hat den Plan betr. das Zusammenarbeiten der 
Armee und Flotte angenommen und der Vermehrung der Armee auf
	        
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