2. Per Wassenstilstand zwischen der Fürkei und der Entente. (Okt. 5. 30.) 711
el-Amara in türk. Gefangenschaft weilte, wurde vor zehn Tagen in Freiheit
gesetzt. Begleitet vom Wali der Provinz Aidin, Rahmi Bei, begab er sich
in das engl. Hauptquartier nach der in unmittelbarer Nähe des Golfs von
Smynra liegenden Insel Mytilene. In den letzten Tagen sind ihm dorthin
der türk. Marineminister Reuf Bei und der Unterstaatssekretär im Mini-
sterium des Aeußern, Reschad Hikmet Bei nachgefolgt.
Nach einer Meldung des „Journal de Géneve“ hat die türk. Ge-
sandtschaft in Bern am 25. morgens der franz. und der engl. Gesandtschaft
eine Note der türk. Regierung an die franz. und die engl. Regierung überreicht,
in der sie Waffenstillstand sowie Verhandlungen über einen Frieden verlangt.
Auf die Mitteilung des Gen. Townshend, daß die türk. Regierung
die sofortige Eröffnung von Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten
wünsche, erwidert der Oberbefehlshaber der engl. Flotte im Aegäischen Meer,
Vizeadmiral Calthorpe, er sei ermächtigt, wenn die türk. Regierung
bevollmächtigte Vertreter zu ihm sende, diesen die Bedingungen bekannt-
zugeben, zu denen sich die Alliierten zur Einstellung der Feindseligkeiten
verstehen würden. Daraufhin reist die türk. Waffenstillstandskommission, zu
der außer den oben genannten Persönlichkeiten der Chef des Generalstabs
der achten Armee Sadullah Bei gehört, nach einer Meldung der „Ag.
Milli“ v. 30., am 24. abends von Konstantinopel auf dem Seewege zur
Anknüpfung der Verhandlungen ab. Die Unterzeichnung des Waffenstillstands-
vertrages seitens des Vizeadmirals Calthorpe und der türk. Delegation er-
folgt am 30. abends in Mudros (Insel Lemnos).
Der Waffenstillstandsvertrag enthält, wie „Reuter“ am 1. Nov.
mitteilt, folgende wesentliche Bedingungen: Oeffnung der Dardanellen und
des Bosporus und freier Zugang zum Schwarzen Meere. Besetzung der
Forts in den Dardanellen und im Bosporus durch die verbündeten Truppen.
Die Lage aller Minenfelder, Torpedolanziervorrichtungen und anderer Sperr-
mittel in den türk. Gewässern wird mitgeteilt und bei ihrer Zerstörung
oder Beseitigung Beistand geleistet. Alle Kriegsgefangenen der alliierten
Mächte und die internierten oder gefangenen Armenier sind in Konstantinopel
zu versammeln und bedingungslos den Alliierten zu übergeben. Sofortige
Demobilisierung der türk. Armee mit Ausnahme solcher Truppen, die für
die Bewachung der Grenze und Aufrechterhaltung der inneren Ordnung
erforderlich sind. Der Effektivbestand des Heeres und seine Verteilung werden
später von den Alliierten nach vorheriger Beratung mit der türk. Regierung
festgesetzt werden. Auslieferung aller Kriegsschiffe, die sich in türk. Ge-
wässern oder in von der Türkei okkupierten Gewässern befinden. Die Alli-
ierten erhalten das Recht, alle strategischen Punkte zu besetzen, falls eine
Lage entsteht, die die Sicherheit der Alliierten bedroht. Allen alliierten
Schiffen stehen sämtliche Häfen und Ankerplätze, die augenblicklich in türk.
Händen sind, zur freien Verfügung. Die Alliierten besetzen die Taurus-
tunnelanlagen. Die unverzügliche Zurückziehung der türk. Truppen aus Nord-
west-Persien bis hinter die vor dem Kriege gültige Grenze ist bereits be-
fohlen worden und wird ausgeführt werden. Drahtlose Telegramme und
Kabelstationen kommen unter die Kontrolle der Alliierten; ausgenommen
sind türk. Regierungstelegramme. Der Türkei wird verboten, irgendwelches
Marine-, Militär- und Handelsmaterial zu zerstören. Erleichterungen werden
für Ankauf von Kohle, Oel und Brennstoffen sowie Schiffsmaterial türk.
Produktion gewährt, nachdem zuvor die Bedürfnisse des Landes befriedigt
sind. Nichts von dem oberwähnten Material darf exportiert werden. Alle
Bahnen sind unter Kontrolle alliierter Offiziere zu stellen, einschließlich der Teile
der transkaukasischen Eisenbahnen. Diese Bestimmung schließt die Besetzung
von Batum durch die Alliierten in sich. Die Türkei wird keinen Einspruch