Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

72 DVie ãfterreithisqch-nngarise Monarqhie und die Nachfolgestaaten. (Okt. 17.—19.) 
endgültig über die territorialen Uebergriffe auf den ukr. Boden in Ost- 
galizien den Stab gebrochen hat. Die deutschen Parteien begnügen sich 
damit, das Manifest zur Kenntnis zu nehmen. lleber die Entstehungs- 
geschichte des Manifests s. K. F. Nowak a. a. O. I. S. 2|. 2989 ff.) 
Am gleichen Tage ordnet Kaiser Karl die Einstellung des Strafver- 
fahrens gegen die Angehörigen der k. k. Kriegsmarine an, die am 1. Febr. 
1918 im Golfe von Cattaro gemeutert hatten, soweit sie nicht Rädelsführer oder 
Unteroffiziere waren. Dadurch werden von 379 Angeklagten 348 begnadigt; 
an 4 Mannschaftspersonen ist die Todesstrafe bereits vollzogen worden. 
17. Okt. (Osterr. Delegation.) Ausw. Ausschuß. 
Im Verlaufe der Sitzung richtet der Führer der Ruthenen, Abg. Ritter 
v. Wassilko, heftige Angriffe gegen den Minister des Arußern Grafen 
Burian und erhebt insbesondere den Vorwurf, daß die austro-poln. Lösung 
bei ihm zu einer firen Idee geworden sei, und daß er geneigt sei, dieser 
Lösung alles andere zu opfern. Indem Graf Burian für den Plan der 
Loslösung Galiziens von Oesterreich eingetreten sei, habe er sich zu einem 
Schrittmacher für die Loslösungsbestrebungen aller übrigen Nationen in 
Oesterreich gemacht. Ferner gibt W. interessante Enthüllungen über die 
Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk. Mit der Ukraine sei der Friede 
um jeden Preis, den sie verlangte, geschlossen worden, weil der österr. 
Ministerpräsident v. Seidler den unzweiselhaften Ausbruch der Revolution 
in Wien angekündigt habe, wenn kein Friede zustande käme. Die ukr. Frage 
in Oesterreich sei auf dem besten Wege, durch das Verschulden des Grafen 
Burian von einer austro-ukr., wie die Ukrainer es wollten, zu einer inter- 
nationalen zu werden. Schließlich beantragt W. ein Mißtrauensvotum gegen 
Graf Burian, da dieser den demokratischen Bestrebungen aller Nationen 
der Monarchie ganz fremd gegenüberstehe, so daß diese zu seiner Tätig- 
keit bei den kommenden Friedensverhandlungen kein Vertrauen haben 
könnten. — Graf Burian tritt diesen Angriffen in längeren Ausführungen 
entgegen (s. „Nordd. Allg. Ztg.“ 1918 Nr. 536). — Zum Schluß wird das 
Mißtrauensvotum abgelehnt. Die Tslchechen und Südfslawen sind bei der 
Abstimmung nicht beteiligt. 
17.—19. Okt. (Kroatien.) Tagung des „Nationalrats der 
Slowenen, Kroaten und Serben“ (s. S. 65) in Agram. 
Auf der Tagung wird eine Kundgebung angenommen, in der es 
heißt: Der Nationalrat der Slowenen, Kroaten und Serben verkündet dem 
Volke der Slowenen, Kroaten und Serben, daß er von diesem Augenblick 
an, dazu ermächtigt von allen nationalen Parteien und Gruppen, die 
Leitung der nationalen Politik in seine Hüände nimmt. Von nun an soll 
im Innern für die allgemeinen nationalen Fragen von keiner Partei oder 
Gruppe eine gesonderte Politik geführt, noch gesondert mit Personen außer- 
halb des Volkes verhandelt werden. Vielmehr soll künftighin der einzige 
Repräsentant und entscheidende Faktor der Nationalrat der Slowenen, 
Kroaten und Serben sein. Der Nationalrat, geleitet von den großen Ideen 
der nationalen Selbstbestimmung und Demokratie, die bereits auch vor 
dem Kriege unser ganzes Volk durchdrungen haben, die im Verlaufe des 
Krieges in der nationalen Politik zum Siege gelangt sind, stellt für die 
Lösung unserer nationalen Fragen folgende grundlegende Forderungen: 
1. Wir fordern die Vereinigung unseres gesamten Volkes der Slowenen, 
Kroaten und Serben auf dessen gesamtem ethnographischem Territorium, 
ohne Rücksicht auf irgendwelche provinzielle und staatliche Grenzen, in denen 
es heute lebt, in einem einheitlichen vollkommen souveränen, auf den Grund-
	        
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