Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

762 Auhang I. Diplomatische Enthüllungen. 
Sie 202T1) mit dem Hinweis darauf, daß der Kaiser auf der Nordlandreise 
und der Chef des Großen Generalstabs sowie der preuß. Kriegsminister in 
Urlaub seien, behaupten, durch die Aktion Oesterreichs genau so überrascht 
worden zu sein, als wie die anderen Mächte. (M'iee ich mir hier ein- 
2#schalten gestatte, isk nicht eimma! die #afl. Regier#ung ins Ferfrauen 
geæzogen icorden). Sie 7%iiid gelzend machen, dal# es im gemeinsamern: 
Interesse aller monarchischen Siaaten liege, wenn „das Belprade 4½— 
archistennest“ einmal ausgehoben icerde, und sie iird darauf Rinarbeiten, 
dachdie Mächte sich aruf den Standpunsct stellen, dab die 4duseinander- 
setæiing ætrischen Oesterreich und Serbien eine Angelegenheit dieser beiden 
Siaaten sei. Von einern Mobilmachung deutscher Truppen soll abgesehen 
2cenden, tend man ibill auch durch unsere militärischen Stellen dahin 
2% KTen, dali Oesterreich nicht die gesamte Armee und insbesondere die 
in Galiæien stehenden Truppen mobilisiere, um nicht automatisech eine 
Gegenmobilisierung Husiluonds ausaulösen, die dann auch uns und da- 
nach Frankreich zu geichen Malnamen æieingen und damit den euro- 
päischen Krieg herauf beschicöõren twiirde. 
Entscheidend F o###die Frage, ob die Lokalisier#ng des Krieges ge- 
lingen wird, iird in erster Linie die Haltung Icußilands sein. Will 
Rubland nicht auf alle Fũlle den Kriegꝗ gegen Oesterreich und Deutsch- 
land, so hann es in diesem Falle — und das ist das Günstigste der 
gegenivürtigen Situation — sehr iohl untàùtiꝗ bleiben und sich den Serben 
gegeniiber darauf berufen, dali es eine Kampficeise, die mit Bomben- 
irerfen und Itevolverschiissen arbeite, ebensoirenig ivie die anderen eivili- 
sierten Stacten billige. Dies insbesondere, solange Oesterreich niche die 
nationale Selbstündigheit Serbiens in Frage stellt. Herr Zimmermann 
nimmt an, daß sowohl England und Frankreich, denen ein Krieg zurzeit 
kaum erwünscht wäre, auf Rußland in friedlichem Sinne einwirken werden; 
außerdem baut er darauf, daß das „Bluffen“ eines der beliebtesten Requisite 
der russischen Politik bilde, und der Russe zwar gerne mit dem Schwerte 
droht, es aber im entscheidenden Moment doch nicht gern für andere zieht. 
England ri'oird Oestezesch nicht hindern, Serbien ꝛ2ur INechen- 
schaft 2u zichen 7 eine Zertrümmerung des Landes wird es kaum 
æzulassen, vielmehr — getreu seinen Traditionen — vermutlich auch hienr 
Für das Narionalitätenprinzip eint’eken. Ein Krieg zwischen Zweibund 
und Dreibund dürfte England im jetzigen Zeitpunkt schon mit Rücksicht 
auf die Lage in Irland wenig willkommen sein. Kommt es gleichwohl 
dazu, so würden wir aber nach hiesiger Auffassung die englischen Vettern 
auf der Seite unserer Gegner finden, da England befürchtet, daß Frank- 
reich im Falle einer Niederlage auf die Stufe einer Macht zweiten Ranges 
herabsinken und damit die „balance of power“ gestört würde, deren Er- 
Ral#sng Enpland un eipenen Interesse für geboten erachtet.?) 
Sehr 120%eniy Freicce 20äde Izal2ren an einer Zäuchtig#ng Serbiens 
de#rch Oesterreich empfaden, dem es eine Stärkeung seines Einflusses 
auf dem Balkan iness gPönnen 2rcürde. M/e mi- der Gesandte von 
Bergen, der Reer# irdse Dreibsendangelegemen im 4½scc#igen Amtf, 
sügte, isk as Ferhdnis zicischen Men ind Rom einmal ivieder alles 
2%enb als Pendschaflich. m Mien sei mMan ser verstimmt gegen 
den italienischen Gesandten in Albanien, Aliotti, der gegen Oestereickh 
stark intrigiert æu haben scheint, und der Botschafter von Merei habe 
1) Von hier aus war in dem Wortlaute der Korrespondenz Hoffmann nur gesagt: 
„Es wird dann in diesem Berichte des Grafen Lerchenfeld an den Grafen Hertling weiter 
über die diplomatische Aktion Deutschlands geplaudert. Die Reichsleitung werde (folgt w. o.). 
2) Dieser ganze Absatz war zusammenfassend in indirekter Rede wiedergegeben.
	        
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