772 Tuhans I. Diplematische Eunthüllnusen.
Königs Georg in Paris von den Führern der franz. und engl. auswärtigen
Politik leicht berührt werden könne. Aus diesem Grunde halte ich es für
meine Pflicht, Ihnen zu sagen, daß eine weitere Festigung und Ausgestaltung
der sogenannten „Triple-Entente“ und nach Möglichkeit ihre Umwandlung
in einen neuen Dreibund mir als eine Aufgabe der Gegenwart erscheint.
Die internationale Stellung Rußlands, Frankreichs und Englands vollständig
sichernd, würde ein derartiges Bündnis wegen des Fehlens von Eroberungs-
gedanken bei den genannten Mächten niemanden bedrohen, aber die beste
Bürgschaft für die Erhaltung des Friedens in Europa sein. Zwischen Frankreich
und England sind schon einige Schritte zwecks Ausarbeitung möglichst gemein-
samen Wirkens und genauerer Präzisierung der beiderseitigen Verpflichtungen
getan. In derselben Richtung müssen auch wir augenscheinlich arbeiten,
wobei das Aufwerfen darauf bezüglicher Fragen vielleicht verbunden werden
könnte mit verhandlungsreifen Stoffen über eine ganze Reihe von Gegen-
ständen, welche die russ. und engl. Interessen in zahlreichen Gebieten nahe
berühren. Leider ist, wie Sie wissen, die innere Lage in Großbritannien
zurzeit derart, daß durch sie die Aufmerksamkeit der Königlichen Regierung
und der Oeffentlichkeit absorbiert wird. Unter diesen Umständen ist der
Boden für internationale Abmachungen, der so besonders empfindlich ist,
im Hinblick auf die Eigenschaften der Engländer, recht ungünstig und wir
müssen nolens volens recht vorsichtig bei der Verfolgung des genannten-
Zieles sein. Nichtsdestoweniger teile ich Ihre Ansicht, daß es nicht unzweck-
mäßig sein würde, wenn die Herren Poincaré und Doumergue, die Zusammen-
kunft mit dem König und seinem Minister ausnutzend, sie vertraulich dar-
auf hinweisen würden, daß ein engeres Abkommen zwischen Rußland und
England auch in Frankreich als ein freudiges Ereignis begrüßt werden
würde, das für alle drei Teilhaber an der gegenwärtigen Triple-Entente
gleichermaßen erwünscht sei. Die Festsetzung der Bedingungen, unter welchen
ein derartiges politisches Abkommen zustandekommen könnte, würde natürlich
unmittelbaren Verhandlungen zwischen Petersburg und London vorzubehalten
sein. Aber vielleicht hält es die franz. Regierung für nützlich, Grey vor-
zuschlagen, uns gemeinsam den Inhalt des von Ihnen erwähnten, zwischen
England und Frankreich abgeschlossenen politischen Abkommens mitzuteilen,
welches als Grundlage für die Ausarbeitung eines ähnlichen Abkommens
zwischen Rußland und England dienen könnte.
Iswolski an Ssasonow.
Paris, den 27. März9. April 1914.
Nach Empfang Ihres Schreibens v. 20. März)/'2. April habe ich die
erste Gelegenheit benutzt, um noch einmal im Gespräch mit Doumergue
die Frage eines engeren Einvernehmens zwischen Rußland und England
zu berühren. Doumergue bestätigte mir in bestimmtester Weise seine Absicht,
bei den bevorstehenden Zusammenkünften mit Grey sich dahin auszusprechen,
daß eine derartige Verständigung erwünscht sei. Er meint, daß es ihm sehr
leicht sein werde, zugunsten dieses Gedankens überzeugende Argumente
anzuführen, weil ganz augenscheinlich sei, daß, da Frankreich besondere
militärisch-maritime Vereinbarungen mit Rußland und England habe,
dieses System koordiniert und ergänzt werden müßte durch entsprechende
Vereinbarungen zwischen Rußland und England. Doumergue glaubt, daß
die russ.engl. Vereinbarung die Form einer Marinekonvention annehmen
müßte, und daß dabei vielleicht technische Beratungen zwischen allen drei
Marine-Generalstäben erforderlich sein würden. Was die nach Abmachung
mit Grey uns mitzuteilende, zwischen England und Frankreich bestehende
politische Vereinbarung betrifft, so bestätigte mir Doumergue, daß Frank-
reich und England nicht durch positive politische Verpflichtungen gebunden