Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

778 Auhang I. Diplematise Enthũlungen. 
zu geben, seine Seestreitkräfte im westlichen Teil des Mittelmeeres zu kon- 
zentrieren, wobei ihm als Stützpunkt für die Flotte Malta zur Verfügung 
gestellt wurde. Die Einzelheiten bezogen sich auf die Verwendung von fran- 
zösischen Torpedoflottillen und Unterseebooten im Kanal, sowie des eng- 
lischen Mittelmeergeschwaders, das bei Kriegsausbruch dem französischen 
Admiral unterstellt werden sollte. Für das Zusammenwirken der Land- 
streitkräfte bestand noch 1911 das Projekt der Landung eines englischen 
Expeditionskorps von 150000 Mann in Belgien oder Nordfrankreich. Dies 
Projekt ist anscheinend etwa ein Jahr vor Kriegsausbruch fallen gelassen 
worden. Nach den neuen Vereinbarungen sollten beim Ausbruch eines 
Krieges 120000 Mann von Portsmouth, Southampton und Plymouth aus 
in Frankreich gelandet werden und den Dienst in den französischen Küsten- 
befestigungen und den benachbarten Garnisonen übernehmen, um die dort 
stationierten französischen Truppen für anderweitige Verwendung frei- 
zumachen. Eine eventuelle weitere Entsendung englischer Truppen nach dem 
Festland wurde von dem Gang der kriegerischen Ereignisse abhängig ge- 
macht; doch behielt sich England in jedem Falle das Recht vor, seine 
Truppen zurückzuberufen, sobald die strategische Lage in England dies nötig 
erscheinen ließe. Die Einzelheiten bezogen sich auf die Dislokation der 
englischen Truppen in Frankreich und den Austausch von Offizieren bei 
den Oberkommandos. Bei Kriegsausbruch bestanden wieder neuere Ver- 
einbarungen, welche ein sofortiges Eingreifen englischer Truppen bei den 
Kämpfen in Belgien und Nordfrankreich vorsahen. Die Abmachungen mit 
Rußland sollten sich auf gemeinsame Operationen zur See beschränken. 
Der russische Marineattaché in London reiste, wie Sir E. Grey mit dem 
russischen und französischen Botschafter vereinbart hatte, nach Petersburg, 
um sich dort Instruktionen zu holen. In Petersburg wurden seit Monaten 
große Anstrengungen gemacht, um die baltische Flotte zu verstärken, und 
es waren dem Marineministerium geheime, sehr bedeutende Mittel zur Ver- 
fügung gestellt worden, hauptsächlich zum Ankauf auf ausländischen Werften 
im Bau befindlicher Dreadnoughts. Eine Zeitlang hatte sich eine spezielle 
Marinekommission in England aufgehalten, doch scheiterten die fast zum 
Abschluß gebrachten Verhandlungen wegen Ankaufs von zwei chilenischen 
Schiffen schließlich am Widerstand der chilenischen Regierung. 
Ueber die Aufnahme der englischen Vorschläge in Petersburg gibt 
nachstehender Erlaß des russischen Ministers des Aeußern Aufschluß: 
Ssasonow an Benckendorff. 
St. Petersburg, den 15./28. Mai 1914. 
Die Bereitwilligkeit der englischen Regierung, ohne Aufschub in Ver- 
handlungen über Abschluß einer Vereinbarung zwischen Rußland und Eng- 
land einzutreten, über gemeinsame Operationen ihrer maritimen Streitkräfte 
im Fall gemeinsamer militärischer Aktionen, ist von unserer Seite mit dem 
Gefühl größter Genugtuung entgegengenommen worden. Abgesehen davon, 
daß eine derartige Vereinbarung vom speziellen maritim kriegerischen Stand- 
punkt aus zu wünschen ist, legen wir ihr eine besonders große Bedeutung 
in allgemein politischer Hinsicht bei. Im Abschluß der bezeichneten Ver- 
einbarung erblicken wir einen wichtigen Schritt, um England dem franko- 
russischen Bündnis enger anzuschließen, und ein wirksames Mittel, die Er- 
kenntnis an den gemeinsamen Interessen Englands und Rußlands zu festigen, 
was, wie wir überzeugt sind, sich wiederum in allen Fragen, die unsere 
Interessen und die englischen betreffen, günstig geltend machen wird. 
Auf die politische Bedeutung des Ausgangs der bevorstehenden Ver- 
handlungen habe ich es für meine Pflicht gehalten, die besondere Aufmerk- 
samkeit wie unseres Marineministeriums, so besonders die unseres Marine-
	        
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