2. Jur Schuldfratze am Ausbruch des Weltbriezes. 779
agenten in London zu lenken, der in Gemeinsamkeit mit dem engl. Marine-
generalstab das Projekt der Vereinbarung auszuarbeiten hat. Der von der
engl. Regierung gemachte Vorschlag über die Form, in der die Vereinbarung
abzuschließen ist, wird von unserer Seite als ganz zweckmäßig anerkannt,
und Kapitän Wolkow ist beauftragt, mit der engl. Regierung in Verhand-
lung zu treten. Die Grundprinzipien, die bei den bevorstehenden Verhand-
lungen in Betracht gezogen werden sollen, sind Gegenstand einer Beratung
gewesen, die am 13. Mai beim Chef des Marinegeneralstabes stattfand.
Zu Ihrer persönlichen Orientierung lege ich hier ein Exemplar der in dieser
Konferenz gefaßten Beschlüsse bei.
Anlage zum Erlaß Ssasonows v. 15./28. Mai 1914.
Am 13./26. Mai (1914) fand beim Chef des Marinestabes eine Be-
ratung statt zum Zwecke eines Gedankenaustausches anläßlich der bevor-
stehenden Verhandlungen über Abschluß eines Abkommens zwischen Ruß-
land und England über das operative Zusammenwirken ihrer maritimen
Streitkräfte für den Fall vereinbarter kriegerischer Operationen Rußlands
und Englands unter Teilnahme Frankreichs. Nachdem vor allem bemerkt
wurde, wie sehr erwünscht ein derartiges Abkommen sowohl vom speziell
maritimen Standpunkt, wie ganz besonders in allgemein politischer Hin-
sicht sei, gelangte die Beratung nach allseitiger Erwägung der Frage zu
den unten folgenden Schlüssen: Vor allem wurde anerkannt, daß unser
Marineabkommen mit England gleich der franko-russ. Marinekonvention ver-
einbarte, aber gesonderte Aktionen unserer Kriegsmarine und der englischen
ins Auge zu fassen hat. Im Hinblick auf die strategischen Ziele, die von
unserem Standpunkt aus für den Fall eines Krieges der Mächte der Triple-
entente mit den Mächten des Dreibundes geltend zu machen sind, sind zu
unterscheiden: einerseits die maritimen Operationen im Rayon der Ostsee
und der Nordsee, andererseits der Kampf der Marine im Mittelmeer. In
beiden Gebieten müssen wir darauf ausgehen, von England Kompensationen
dafür zu erhalten, daß wir einen Teil der deutschen Flotte zu uns ab-
ziehen. Auf dem nördlichen Kriegsschauplatz verlangen unsere Interessen,
daß England einen möglichst großen Teil der deutschen Flotte in der Nordsee
festhält. Das würde die erdrückende Uebermacht der deutschen Flotte über
die unsere kompensieren und vielleicht gestatten, im günstigsten Fall eine
Landung in Pommern zu unternehmen. Sollte es sich als möglich erweisen,
an diese Operation heranzutreten, so würde sich die Ausführung infolge
der geringen Entwicklung unserer Transportmittel in der Ostsee außer-
ordentlich schwierig erweisen. Die engl. Regierung könnte uns in dieser
Sache einen wesentlichen Dienst leisten, wenn sie darauf eingeht, vor Be-
ginn der Kriegsoperationen eine solche Zahl von Handelsschiffen in unsere
baltischen Häfen zu schicken, daß der Mangel an Transportschiffen bei uns
ausgeglichen wird. Die maritime Lage im Mittelmeer berührt auch sehr
wesentlich unsere Interessen, da, falls die österr.-ital. Streitkräfte in diesem
Meer herrschen, Angriffe der österr. Flotte im Schwarzen Meer möglich
sind, was für uns ein gefährlicher Schlag wäre. Von unserem Standpunkt
aus ist es daher höchst wichtig, daß ein sicheres Uebergewicht der Streit-
kräfte der Entente über die austro-ital. Flotte im Mittelmeer hergestellt
wird. Da die austro-ital. Streitkräfte den französischen überlegen sind, ist
zu wünschen, daß England durch Belassung der notwendigen Zahl von
Schiffen im Mittelmeer das Uebergewicht der Streitkräfte der Entente-
mächte mindestens so lange sicherstellt, als die Entwicklung unserer Flotte
uns nicht gestattet, diese Aufgabe zu übernehmen. Erwünscht wäre auch
die Zustimmung Englands dazu, daß unsere Schiffe die engl. Häfen im
östlichen Mittelmeer als Basis benutzen dürfen, ganz, wie die franz. Marine-