Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Die sterreichischunserische Monarchie und die Nacfolsestaaten. (Okt. 21.) 75 
heit von 68 Reichsratsabg. eine Vollsitzung des Tschech. Verbandes statt. 
Einstimmig wurde der vom N. gefaßten Resolution zugestimmt. 
.2. Okt. Der schwed. Gesandte überreicht im Ministerium des 
Außern die Antwort der Regierung der Ver. St. von Amerika auf 
die Note v. 4. Okt. (Den Wortlaut s. im Anh. zu den Ver. St.) 
Die Antwortnote erregt in Wien große Bestürzung, da man sich dort 
bisher hinsichtlich der Haltung Wilsons gegenüber der Monarchie einem ge- 
wissen Optimismus hingegeben hat. Man glaubte mit dem Manifest v. 17., 
dem Wunsche Wilsons bezüglich des Selbstbestimmungsrechtes der österr. 
Völker völlig Genüge getan zu haben. 
21. Okt. (Osterr. Herrenhaus.) Erklärung der Tschechen, 
v. Hussarek über die Neuordnung. 
Es gelangt eine Anfrage der bürgerlichen tschech. Herrenhausmitglieder 
Dr. Fort und Gen. an den Ministerpräsidenten in Angelegenheit des kais. 
Manifestes v. 17. zur Verlesung. Die Interpellanten erklären den im 
Manifest betretenen Weg für ungangbar, wobei sie sich insbesondere da- 
gegen wenden, daß das Manifest vor der Integrität der ung. Krone halt- 
mache und somit auf das Los der Slowaken in keiner Weise Bezug nehme, 
protestieren ferner gegen eine Abtrennung des eingedeutschten Randgebietes 
von dem zu errichtenden böhm. Staat und erklären: Das tschech. Volk, dem 
nichts ferner liegt, als unter Hintansetzung von Gesittung und Recht das ge- 
schichtlich Gewordene und rechtmäßig Besessene antasten zu wollen, verkennt 
keineswegs die Schwierigkeiten, die zu überwinden sein werden, um im 
Wege einer ehrlichen und gerechten Verständigung zu den Bedingungen 
eines friedlichen Beisammenlebens zu gelangen. Es legt getrost sein Schicksal 
in die Hände der künftigen Friedenskonferenz. 
Graf Clam-Martiniec erklärt, er wolle nicht, daß auch er unter 
die Totengräber Oesterreichs gezählt werde. Im Namen einer Anzahl von 
Parteifreunden (Zdenko Fürst Lobkowitz, Jaroslav Fürst Thun, Alfons Graf 
Mensdorff-Pouilly, Ernst Graf Chotek, Graf Adalbert Joseph Schönborn, Joseph 
Graf Nostitz, Fürst Schwarzenberg, Ferdinand Prinz Lobkowitz, Graf Serenyi, 
Fürst Metternich, Prinz Franz Liechtenstein jun., Eugen Graf Czernin) gebe 
er die feierliche Erklärung ab, daß sie bis zur letzten Stunde treu zu 
Oesterreich stehen werden, diese Treue auf den mit Gottes Hilfe unter 
Habsburgs Szepter neu entstehenden Staatenbund übertragen werden und 
der Dynastie die ererbte Treue bis zum letzten Atemzug unverbrüchlich 
halten werden. 
Sodann erhält das Wort Ministerpräsident Frhr. v. Hussarek. Er 
erklärt zunächst, daß die Antwort Wilsons keineswegs Anlaß biete, den an- 
gebahnten Gedankenaustausch als abgebrochen zu betrachten, und betont, 
die Neuordnung der inneren Verhältnisse stehe nicht bloß mit dem Friedens- 
schritt im Zusammenhang, sondern sei auch eine innere Notwendigkeit. Das 
kais. Manifest sei die logische und notwendige Ergänzung des Friedensschrittes, 
diewichtigste Schranke der Selbstbestimmungsei jedoch die gleichberechtigte Selbst- 
bestimmung jedes anderen. Das Werk der Neugestaltung würde selbstverständlich 
nur auf verfassungsmäßigem Wege durch das Zusammenwirken der Völker 
geschaffen werden. Die Hervorhebung der ung. Integrität sei selbstverständlich, 
außerdem falle das künftige Schicksal Bosniens und der Herzegowina außer- 
halb des engeren verfassungsmäßigen Rahmens, auf dem die Neuordnung 
Oesterreichs sich aufbauen könne. v. H. betont die Notwendigkeit einer Revision 
des 67er Ausgleichs und die Aufrechterhaltung der Grundgedanken der
	        
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