818 Anhens II. Nachträßze.
Rußlands, und seine Errichtung wird nicht der geringste Dienst sein, den
Ew. Durchlaucht der Sache des europäischen Friedens geleistet haben.
Ich habe die Ehre zu sein Euer Durchlaucht gehorsam ergebener
Diener Salisbury.
Die „Dtsch. Allg. Ztg.“ bemerkt dazu: Salisbury ließ also seine aus
der Person des künftigen Kaisers geschöpften Bedenken gegen ein ital.-österr.
engl. Einvernehmen über Orientfragen fallen, wich aber einem Eingehen
auf den ihm nahegelegten engeren deutsch-engl. Zusammenschluß gegen die
russ. Kriegsgefahr aus. Er traute der Einladung nicht und soll damals in
vertrautem Kreise geäußert haben, mit dem Fürsten Bismarck sei wie mit
dem Teufel nicht gut Karten spielen.
Die „Frankf. Ztg.“ v. 20. Febr. 1919 (Nr. 146) begleitet den Brief-
wechsel mit folgender Anmerkung: Welches die acht Punkte waren, die
man in Berlin dem britischen Botschafter Sir Edward Mallet zur Ueber-
mittlung an seine Regierung übergeben hatte, ist nicht bekannt. Aus diesen
würde sich erst ergeben, wie weit das Abkommen gedacht war. Aus der
Antwort Salisburys ergibt sich, daß der britischen Regierung das, was
Bismarck in Aussicht stellte, nicht weit genug ging, um einen engeren An-
schluß Englands zu rechtfertigen. Es war auch damals so, wie es bis dahin
immer in Englands Politik gewesen war: man wollte möglichst andere
Völker für Englands Interessen fechten lassen. Nach dieser Ablehnung be-
greift man den nervösen Eifer Bismarcks, den Draht nach Rußland nicht
abreißen zu lassen, obwohl auch ihm nicht verborgen bleiben konnte, wie
schwach dieser Draht geworden war. Er wollte unter allen Umständen
eine Isolierung Deutschlands verhüten und handelte, wie er es in dem
Briefe an Lord Salisbury angekündigt hatte. Das ist offenbar einer der
Gründe gewesen, weshalb er sich unter dem jungen Kaiser an sein Amt
klammerte. Als er dann, zum Teil gerade wegen dieser Versicherungspolitik,
verabschiedet wurde, sah er in der Politik des neuen Kaisecrs die Gefahr
einer Isolierung Deutschlands und bekämpfte sie leidenschaftlich.
2. Ein Thronverzicht Kaiser Nikolaus' II. i. J. 1905.
Wie „Kiewskaja Mysl“ v. 11. April aus „Ranneje Utro“ v. 2. April
1918 mitteilt, berichtete in einer Sitzung der Russ. Historischen Gesellschaft
das Mitglied der Akademie Bunakowsky über ein in dem Archiv des
Senats gefundenes Manifest Nikolaus“' II. v. 28. Okt. 1905, das einen
Verzicht auf den Thron aussprach. Das Manifest hat beinahe den gleichen
Wortlaut wie die Entsagungsurkunde v. 15. März 1917 (s. Gesch Kal. 1917
Tl. 2 S. 660 f.). Es enthält insbesondere auch die Erklärung des Zaren,
daß er, da er von seinem geliebten Sohn sich nicht trennen wolle, die
Thronfolge auf seinen Bruder, den Großfürsten Michael, übertrage. Der
Berichterstatter entdeckte dieses Manifest zufällig, indem er in dem Archiv
des Senats auf den Korrekturbogen der Gesetzsammlung v. 30. Okt. 1905
stieß, in dem das Manifest abgedruckt war. Auf dem Bogen war mit
Rotstift folgender Vermerk gemacht: „Den Druck anhalten. Der Vorsteher
der Druckerei Hofmeister Kedrinsky.“ — A. Kedrinsky, der im Jahre 1905 Vor-
steher der Senatsdruckerei war, gab dazu folgende Aufklärungen: Am 29. Okt.
um 8 Uhr abends habe ihm ein Feldjäger ein Paket von dem Hausminister
Baron Fredericks überbracht, in dem sich der Text des Manifestes und
ein Schreiben des Barons Fredericks mit dem Ersuchen befand, das Mani-
fest in der Nummer der Gesetzsammlung v. 30. Okt. drucken zu lassen.
Da das Manifest nicht auf dem gewöhnlichen Wege durch den Justizminister
eingegangen war, benachrichtigte Kedrinsky, nachdem er es in die Druckerei
gegeben hatte, telephonisch den Justizminister Schtscheglowitow von dem