Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

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29. Okt. (Kroatien.) Unabhängigkeitserklärung, Erklärung des 
Anschlusses an den Staat der Südslawen. 
Der kroatische Landtag (Sabor) tritt auf Wunsch der kroat. Abg., 
die fast ganz auf dem Boden des Programms des Südslaw. Nationalrats 
(s.S. 72 f.) stehen, in Agram zu einer Sitzung zusammen. Präsident Dr Meda- 
kovic eröffnet die Sitzung mit einer Ansprache, in der er ausführt: Wir 
alle haben das Gefühl, daß die Stunde geschlagen hat, wo auch der Sabor 
zusammentreten muß, um sein großes Werk zu vollbringen. Nicht die Auf- 
gabe der Schaffung neuer Gesetze harrt seiner. Heute ist es nicht mehr 
seine Aufgabe, über die engere nationale Politik zu verhandeln. In diesen 
enggeschlossenen Schranken haben wir unter der Fremdherrschaft gestöhnt 
und geächzt, haben wir kein nationales Leben im wahren Sinne des Wortes 
geführt, haben wir nur zu vegetieren vermocht. Heute sind endlich diese 
Fesseln gesprengt. Vorbei ist die Zeit, wo die Völker Kroatiens und Sla- 
woniens eigene Politik für sich gemacht haben. Denn endlich ist die Stunde 
gekommen, wo unser gesamtes geeinigtes Volk der Slowenen, Kroaten und. 
Serben auf allen Gebieten, die es bewohnt, eine einige, einheitliche Politik 
macht. Diese einheitliche nationale Politik können wir uns aber nicht vor- 
stellen ohne die Dalmatiner, die mit uns geblutet haben für unsere nationale 
Einigkeit, die in den Jahren 1915 und 1916 diese Bewegung eingeleitet 
haben und die die eigentlichen Schöpfer der nationalen Einheit sind. Wir 
können uns die nationale einheitliche Politik auch nicht vorstellen ohne 
unsere Brüder in Istrien, welche unsere nationale Wacht an der Adria 
hielten, ohne unsere Bosniaken und Herzegowiner, welche jahrhundertelang 
gelitten und geblutet haben. Und wie könnten wir umhin, nicht auch der 
Slowenen zu gedenken, welche jahrhundertelang dem deutschen Drang nach 
dem Adriatischen Meer standgehalten haben. Was die große Sache der 
Nation bedarf, das hat man überall, in allen Teilen und in allen Schichten 
unseres dreieinigen Volkes, gefühlt, und so hat sich denn in einer glück- 
lichen Stunde der Nationalrat der Slowenen, Kroaten und Serben (s. S. 65) 
gebildet. Er versinnbildlicht den. Gedanken der Einheit unseres Volkes, 
unserer nationalen Organisation in einem freien, selbständigen, unabhängigen 
und souveränen Staat auf dem gesamten Territorium, auf dem unser Volk 
lebt und unsere Sprache gesprochen wird. Während des Krieges vermochten 
wir gemeinsam mit dem Volk und gemeinsam mit unserem Banus unserem 
Volke behilflich zu sein. Und nun wollen wir als jugoflaw. Parlament, 
als das einzige Parlament, welches derzeit in den von Südflawen bewohnten 
Ländern funktioniert, die Liquidation des staatsrechtlichen Verhältnisses mit 
Ungarn und mit Oesterreich durchführen. Wilson hat erkannt, daß auch wir 
der Freiheit bedürfen und daß wir ein Kulturvolk sind, reif, über unser 
Schicksal selbst zu entscheiden, ein Volk, welches weder eines Meisters noch. 
eines Protektors bedarf. Diese Erkenntnis ist Wilson geworden durch den 
heroischen Kampf unseres Stammes, der es verstanden hat, zu kämpfen und 
sich den verlorenen heimatlichen Boden wieder zurückzuerobern. Der Prä- 
sident schließt: Wir dürfen aber keineswegs gestatten, daß in dieser schicksals- 
schweren Uebergangszeit der reine Name unseres Volkes mit Schmach und 
Schande bedeckt werde. Dem vorzubeugen ist die erste und wichtigste Auf- 
gabe des Nationalrates. 
Hierauf wird folgender Dringlichkeitsontrag des Abg. Svetozar Pribi- 
cevic u. Gen. verlesen: Wir beantragen, der Sabor möge beschließen: 
„Der kroatische Reichstag faßt auf Grundlage des vollkommenen nationalen 
Selbstbestimmungsrechtes, welches heute bereits von allen kriegführenden 
Mächten anerkannt ist, folgenden Beschluß: 1. Alle bisherigen staatsrecht-
	        
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